2.1 Selbstverwaltungsorgane
Rz. 2
Die Regelung in Abs. 1, die eine Notverwaltung des Versicherungsträgers durch die Aufsichtsbehörde ermöglicht, bezieht sich auf den Fall der Verhinderung eines Selbstverwaltungsorgans. Dazu zählen der Vorstand, die Vertreterversammlung, bei den Krankenversicherungsträgern der Verwaltungsrat (§ 31 Abs. 3a) sowie bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Bundesvertreterversammlung und der Bundesvorstand (§ 31 Abs. 3b). Der Verhinderungsfall kann nur eintreten, soweit entweder die Wahl zu diesen Selbstverwaltungsorganen nicht zustande kommt (Unfähigkeit) oder aber eines dieser Organe sich weigert (Unwilligkeit), seine Aufgaben auszuführen. Im Fall einer bloßen Untätigkeit sind allein die Aufsichtsmittel des § 89 anzuwenden.
Damit dennoch jederzeit eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch den Versicherungsträger sichergestellt ist, muss die Aufsichtsbehörde selbst oder durch entsprechende beauftragte Personen die Aufgaben des jeweiligen Selbstverwaltungsorgans auf Kosten des Versicherungsträgers ausführen. Dem Sinn dieser Vorschrift nach kann es sich allerdings nur um eine vorübergehende Regelung handeln; denn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Selbstverwaltungsorgans durch die Aufsichtsbehörde bzw. durch entsprechend beauftragte Personen dient nur dazu, der Gefahr schwerwiegender Schäden für den Versicherungsträger vorzubeugen. Es bleibt aber der Grundsatz bestehen, dass die Selbstverwaltung eines Versicherungsträgers durch die entsprechenden Organe erfolgt. Deshalb muss wegen des schwerwiegenden Eingriffes in die Selbstverwaltung vorab unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, ob nicht Aufsichtsmittel ausreichen. Im Übrigen bedarf es grundsätzlich der Ankündigung. Gegenüber § 46 Abs. 3 ist § 37 subsidiär; § 70 Abs. 3 ist vorrangig, soweit der Haushaltsplan betroffen ist.
Rz. 3
Auch aus dem Hinweis auf die (weiterhin) bestehende Verpflichtung der Aufsichtsbehörde, die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane zu berufen, wenn eine Wahl nicht zustande kommt (§ 37 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 46 Abs. 3 Satz 2 und § 52 Abs. 3), ergibt sich, dass es sich bei der in Abs. 1 Satz 1 enthaltenen Regelung (und zwar in beiden Alternativen) lediglich um eine vorübergehende Maßnahme handeln kann.
2.2 Geschäftsführer
Rz. 4
Soweit der Geschäftsführer, sein Stellvertreter oder ein Mitglied der Geschäftsführung für längere Zeit an der Ausübung ihres Amtes verhindert sind oder das Amt längere Zeit unbesetzt ist, besteht keine Möglichkeit, dass die Aufsichtsbehörde tätig wird. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber vielmehr den Versicherungsträger selbst, nämlich dem Vorstand, die Möglichkeit (Ermessen) eingeräumt, eine andere Person mit der vorübergehenden Wahrnehmung dieses Amtes zu beauftragen. Dies soll aufgrund der erforderlichen fachlichen Qualifikation ein leitender Beschäftigter des Versicherungsträgers sein. Bei Geschäftsführungen besteht jedoch insoweit eine Einschränkung, als die Aufgaben des Vorsitzenden der Geschäftsführung nicht auf einen leitenden Beschäftigten übertragen werden können. Da der Gesetzgeber auf die Bestimmung in § 36 Abs. 4 Satz 2 nicht ausdrücklich Bezug nimmt, muss bei einem solchen Vertretungsfall nicht immer mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied der Geschäftsführung sein. In diesen Fällen muss die Vertreterversammlung ein anderes Mitglied der Geschäftsführung zum (vorübergehenden) Vorsitzenden wählen. Der Begriff "längere Zeit" ist als unbestimmter Rechtsbegriff voll inhaltlich im sozialgerichtlichen Verfahren überprüfbar (Köster, in: Kreikebohm, SGB IV, 2. Aufl., 2014, § 37 Rz. 5; a. A. Kommentar der gesetzlichen Rentenversicherung, SGB IV, § 37 Rz. 4).
Rz. 5
Die Regelung in Abs. 2 der Vorschrift ist für den bei den Krankenversicherungsträgern anstelle des Geschäftsführers handelnden hauptamtlichen Vorstand entsprechend anzuwenden (§ 35a Abs. 4 Satz 3). Über die Beauftragung eines leitenden Beschäftigten eines Versicherungsträgers entscheidet dort der Verwaltungsrat (§ 33 Abs. 3 Satz 3).
2.3 Anfechtung
Rz. 6
Soweit die Aufsichtsbehörde nach Abs. 1 Satz 1 Maßnahmen vornimmt, kann der Versicherungsträger diese durch Klage vor dem Sozialgericht anfechten. Die Klage hat gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung; jedoch kann gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG seitens der Aufsichtsbehörde die sofortige Vollziehung angeordnet werden. Die Aufsichtsbehörde hat aber nicht die Möglichkeit gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Sozialgericht zu beantragen. Wegen der Handlungsalternative in § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG fehlt jedoch regelmäßig das Rechtsschutzinteresse (a. A. Köster, a. a. O., § 37 Rz. 4).