Rz. 9
Die zunehmende Komplexität der zu entscheidenden Materien der Selbstverwaltungsmitglieder erfordert eine immer umfangreichere Einarbeitungszeit. Verstärkt werden betriebswirtschaftliche Kenntnisse und spartenbezogenes Wissen vorausgesetzt. Den gestiegenen inhaltlichen Ansprüchen an die Tätigkeit der Selbstverwaltungsmitglieder muss durch eine angemessene Fort- und Weiterbildung in (sozial-)rechtlichen, wirtschaftlichen sozialpolitischen Fragestellungen Rechnung getragen werden. Hierfür ist eine hinreichende Zeit vorzusehen, in der Selbstverwaltungsmitglieder von ihrer Arbeit nicht nur stundenweise, sondern ganztägig (Urlaub) freigestellt sind und sie keinen finanziellen Schaden in Form eines Verdienstausfalles erleiden. Abs. 3 Satz 1 schafft einen Urlaubsanspruch von bis zu 5 Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Der Anspruch ist durch Antrag beim Arbeitgeber oder Dienstherrn geltend zu machen. Um den Interessen der Arbeitgeber und Dienstherren Rechnung zu tragen, regelt Abs. 3 Satz 2, dass der Anspruch auf Fortbildungsurlaub spätestens 4 Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme schriftlich oder elektronisch geltend zu machen ist. Dieses Verfahren ist aus Gründen der Arbeitsorganisation und der Rechtssicherheit geboten. Dies gilt auch für die Versichertenältesten und Vertrauenspersonen, die zur Selbstverwaltung im weiteren Sinne gehören, sowie über die Verweisung in § 36a Abs. 3 für die Mitglieder der besonderen Ausschüsse.
Rz. 10
Hinsichtlich der Anzahl der Arbeitstage, an denen Urlaub beansprucht werden kann, erscheinen bis zu 5 Arbeitstage im Kalenderjahr im Vergleich zu kommunalrechtlichen Regelungen der Bundesländer als ausreichend und angemessen. Der Urlaub darf zusammen mit der Freistellung aus Bildungsurlaubsgesetzen der Länder gemäß Abs. 3 Satz 3 8 Arbeitstage pro Kalenderjahr nicht überschreiten. Abs. 3 Satz 4 sieht vor, dass grundsätzlich kein Lohn- und Gehaltsfortzahlungsanspruch für die Zeit des Urlaubs zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen besteht. Da hier der Urlaub nicht der Sphäre des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist (anders als bei der Arbeitnehmerweiterbildung oder beim Weiterbildungsurlaub nach der Sonderurlaubsverordnung), sondern "notwendiger Begleitteil" der ehrenamtlichen Selbstverwaltungstätigkeit ist, wäre es nicht interessengerecht, den Arbeitgeber mit den Kosten des Urlaubs zu belasten. Kostenträger ist daher gemäß Abs. 3 Satz 5 grundsätzlich der Sozialversicherungsträger, für den die Tätigkeit des Selbstverwaltungsmitgliedes erbracht wird. Gemäß Abs. 3 Satz 6 darf der Arbeitgeber oder Dienstherr verlangen, dass der Zeitpunkt der Fortbildung nicht dringenden betrieblichen oder dienstlichen Belangen oder Urlaubsanträgen anderer Beschäftigter entgegensteht. Durch die Vorschrift sollen insbesondere kleinere Betriebe und Behörden geschützt werden, die in ihrer Flexibilität, Vertretungsregelungen bereitzuhalten, beschränkt sind. Dringende betriebliche oder dienstliche Belange können nur solche Gründe sein, die bei Abwesenheit eines Beschäftigten in einem bestimmten Zeitrahmen die Funktionsfähigkeit eines Betriebs oder einer Arbeitseinheit ernstlich infrage stellen würden und die auch nicht durch eine Vertretung zumindest teilweise aufgefangen werden könnten.
Fortbildungsveranstaltungen i. S. d. Satzes 1 sind Bildungsveranstaltungen, die der Ausübung des (Selbstverwaltungs-)Mandats förderlich sind. Bildungsveranstaltungen sind im weiten Sinne zu verstehen; es geht um solche Veranstaltungen, die sich mit Inhalten befassen, die Gegenstand einer Selbstverwaltungskörperschaft eines Sozialversicherungsträgers sind oder sein können (Mandatsbezug). Wenn die Bildungsveranstaltungen von den Sozialversicherungsträgern, den Spitzenverbänden der Sozialversicherung oder den vorschlagsberechtigten Organisationen bzw. deren Verbänden i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 durchgeführt werden, dürften sie der Ausübung des Mandats i. d. R. förderlich sein. Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch andere Veranstalter im Einzelfall entsprechende "förderliche" Bildungsveranstaltungen anbieten. Da für die Kosten der Bildungsveranstaltungen Beitragsmittel eingesetzt werden, regelt Abs. 3 Satz 7, dass als Qualitätskontrolle die Selbstverwaltung entscheidet, welche Inhalte von Bildungsmaßnahmen der Amtsausübung förderlich und daher zulässig sind. Satz 7 letzter Teilsatz legt fest, dass die hauptamtlichen Vorstände der Krankenkassen keine Vorschlagsberechtigung haben, weil sie nicht Teil der Selbstverwaltung sind (BR-Drs. 485/20 S. 94 f.).
Rz. 11
Verstöße gegen das Behinderungs- und Benachteiligungsverbot sind Ordnungswidrigkeiten gemäß § 111 Abs. 3 und können gemäß § 111 Abs. 4 Bußgelder bis 5.000,00 EUR zur Folge haben.