2.1.1 Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervereinigungen (Nr. 1)
Rz. 4
Neben Gewerkschaften sind auch andere selbständige Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) sowie deren Verbände berechtigt, Vorschlagslisten einzureichen. Die Regelung, die den Begriff der Gewerkschaft offen lässt, ist im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 48a (Vorschlagsrecht der Arbeitnehmervereinigungen) zu sehen. Diese lässt erkennen, dass der herkömmliche und auch dem Art. 9 Abs. 3 GG zu Grunde liegende Gewerkschaftsbegriff gemeint ist (so ausdrücklich BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 28/14 R). Wesentlich ist die Tariffähigkeit. Beispiele für Gewerkschaften sind daher etwa die Einzelgewerkschaften des DGB und des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschlands (CGB), ebenso die bis 1979 unter dem Namen "Bund der Sozialversicherungs-Beamten und -Angestellten" und seither als "Gewerkschaft der Sozialversicherung" (GdS) auftretende Vereinigung (BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 28/14 R), ferner der Deutsche Handels- und Industrieangestellten-Verband (DHV).
Rz. 5
Als andere selbständige Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) sind nach § 48a jedenfalls dem Gewerkschaftsbegriff entsprechende Vereinigungen anzusehen, darüber hinaus aber auch Vereinigungen, die bestimmte Nachhaltigkeitsanforderungen (nach § 48a Abs. 1) erfüllen. In jedem Falle ist Selbständigkeit und eine sozial- oder berufspolitische Zwecksetzung erforderlich (Nr. 1), so dass beispielsweise Vereine von Hausfrauen, Schülern, Studenten oder Selbständigen nicht als "sonstige Arbeitnehmervereinigung" anzusehen wären. Den Anforderungen genügen andererseits auch Vereinigungen von Rentnern, die im aktiven Berufsleben Arbeitnehmer waren (vgl. Freund, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 48 Rz. 6 m. w. N.). Vereine, deren Zweck lediglich in der Teilnahme an den Sozialversicherungswahlen bestände, würden die Anforderungen nicht erfüllen.
2.1.2 Arbeitgebervereinigungen (Nr. 2)
Rz. 6
Wie die Arbeitnehmervereinigungen sozial- oder berufspolitische Zwecke verfolgen müssen (hier in Nr. 1 ausdrücklich gefordert), muss man auch für Vereinigungen der Arbeitgeber eine bestimmte sachbezogene, nämlich arbeitsrechtliche oder sozialpolitische Zwecksetzung fordern müssen, insbesondere muss Tariffähigkeit vorliegen. Rein wirtschaftliche Zwecke des Zusammenschlusses reichen nicht aus. Innungen sind – da tariffähig – Arbeitgebervereinigungen, ebenso Kreishandwerkerschaften. Für den Hessischen Bauernverband liegen die Voraussetzungen nicht vor, da sein Mitgliederkreis über Arbeitgeber hinaus auch andere Personen aus dem bäuerlichen Bereich umfasst (BSGE 16 S. 281).
2.1.3 Berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft und Landesfeuerwehrverbände (Nr. 3)
Rz. 7
Das Recht, Vorschlagslisten einzureichen, haben gemäß Nr. 3
- für die Gruppe der Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte für die Sozialversicherung der Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau die berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und deren Verbände und
- für die bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Angehörigen der freiwilligen Feuerwehren die Landesfeuerwehrverbände.
2.1.4 Freie Listen (Nr. 4)
Rz. 8
In allen Gruppen sind die Personen, die alle Eigenschaften der Gruppenzugehörigkeit besitzen, nicht nur über ihre Vereinigungen, sondern auch als Personen vorschlagsberechtigt, sofern sie die nach Abs. 2 erforderliche Zahl von Unterschriften beibringen. Die Möglichkeit dieser sog. freien Listen stellt ein Korrektiv des andernfalls in gewisser Weise bestehenden oder empfundenen Organisationszwanges dar. Im Übrigen können etwa als solche nicht anerkannte Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen sich als freie Liste an der Wahl beteiligen.
2.1.5 Verbände der Organisationen (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 9
Auch die Verbände der vorschlagsberechtigten Organisationen können Vorschlagslisten nach Abs. 1 Satz 2 einreichen, dies jedoch nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass bei zwei oder drei Mitgliedsorganisationen alle und im Übrigen mindestens drei der vorschlagsberechtigten Mitgliedsorganisationen auf eigene Vorschlagslisten für einen Versicherungsträger verzichten. Der Verzicht muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch daraus ergeben, dass de facto eine entsprechende Anzahl von Vereinigungen das Vorschlagsrecht nicht ausübt. Die entsprechende Feststellung trifft der Wahlausschuss.