0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.7.1977 in Kraft getreten. Sie hat die bis dahin geltenden Vorschriften der §§ 16 und 23 Satz 1 des Selbstverwaltungsgesetzes (SVwG) ersetzt und wurde später wie folgt geändert:
- Das Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen v. 27.7.1984 (BGBl. I S. 1029) hat mit Wirkung ab 3.8.1984 in den Abs. 1 und 2 Veränderungen vorgenommen und insbesondere die Festlegung des Stichtages für das Wahlrecht durch die Wahlausschreibung eingeführt.
- Das Betreuungsgesetz (BtG) v. 12.9.1990 (BGBl. I S. 2002) hat ab 1.1.1992 den Abs. 2 neu gefasst und dabei das Wahlrecht für Personen ausgeschlossen, die nach § 13 des Bundeswahlgesetzes vom Wahlrecht ausgeschlossen waren.
- Das Dritte Wahlrechtsverbesserungsgesetz (3. WRVG) v. 29.4.1997 (BGBl. I S. 968) hat den Abs. 2 dann ab 7.5.1997 im Hinblick auf das aktive Wahlrecht für Ausländer dahin gehend präzisiert, dass es auf den Ausschluss aus den in § 13 des Bundeswahlgesetzes genannten Gründen ankomme.
- Das Zweite SGB IV-ÄndG v.10.8.2003 (BGBl. I S. 1600) hat ab 15.8.2003 in Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 statt auf eine Wohnung im "Geltungsbereich dieses Gesetzes" auf eine solche "in einem Staat, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden ist", abgestellt; ferner wurde der Vorschrift ein weiterer Satz angefügt.
- Durch das Gesetz zur Koordinierung der System der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze v. 22.6.2011 (BGBl. I S. 1202) ist Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 mit Wirkung zum 29.6.2011 angepasst worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Wahlberechtigung, auch aktives Wahlrecht genannt. Sie enthält
- in Abs. 1 eine Aufstellung der persönlichen Voraussetzungen des Wahlrechts,
- in Abs. 2 die generellen Ausschlussgründe,
- in Abs. 3 einen besonderen Ausschlussgrund, den das Satzungsrecht bei Nichtbezahlung von Beiträgen festsetzen kann, und
- in Abs. 4 eine Vertretungsregelung für den Fall, dass ein Arbeitgeber vom Wahlrecht nach Abs. 1 oder 2 ausgeschlossen ist.
2 Rechtspraxis
2.1 Persönliche Voraussetzungen (Abs. 1)
Rz. 3
Die nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 zur Voraussetzung des aktiven Wahlrechts gemachten persönlichen Voraussetzungen müssen an dem in der Wahlausschreibung bestimmten Tag vorliegen. Dieser als Stichtag für das Wahlrecht definierte Zeitpunkt lässt eine flexiblere Festlegung zu, als das vor dem In-Kraft-Treten des Ersten Wahlrechtsverbesserungsgesetzes am 3.8.1984 möglich war. Insbesondere können für die einzelnen Versicherungszweige auch unterschiedliche Stichtage festgelegt werden. Es kommt nur darauf an, ob die persönlichen Voraussetzungen am Stichtag vorlagen, sie können danach weder erworben werden noch verloren gehen. Für die in den Abs. 2 festgelegten Ausschlussgründe für die Wahl gibt es keinen Stichtag, da die Regelung nach Abs. 1 nur für die hiernach erforderlichen Voraussetzungen gilt. Die Ausschlussgründe nach Abs. 2 sind daher bei Bekanntwerden zu jedem Zeitpunkt zu berücksichtigen. Abs. 3 nennt wiederum den Stichtag für die das Wahlrecht ausdrücklich.
Rz. 4
Als persönliche Voraussetzung ist einmal die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen erforderlich, deren Vertreter die Selbstverwaltungsorgane bilden (Nr. 1). Das Nähere hierzu ergibt sich aus § 47.
Rz. 5
Weitere Voraussetzung ist die Vollendung des 16. Lebensjahres (Nr. 2). Dieses Alterserfordernis liegt unter dem bei 18 Jahren liegenden Wahlalter für die meisten politischen Wahlen (Art. 38 Abs. 2 GG), aber über dem Mindestalter für die Handlungsfähigkeit in der SV (§ 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I).
Rz. 6
Schließlich setzt die Wahlberechtigung voraus, dass der Betreffende eine Wohnung in einem sog. Vertragsstaat innehat oder sich gewöhnlich dort aufhält oder regelmäßig dort beschäftigt oder tätig ist.
Rz. 7
Abs. 1 Satz 2 enthält eine Sonderregelung für die Renten- und Unfallversicherung. Danach ist ein zeitlich befristeter Antrag bei Versicherten der Renten- und Unfallversicherung die Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts, wenn diese Versicherten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes haben. Insoweit reicht es nicht aus, dass der Wahlberechtigte in einem sog. Vertragsstaat nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 wohnt. Die darin enthaltene Ungleichbehandlung von Wahlberechtigten mit Wohnsitz insbesondere in einem EU-Mitgliedsstaat wird durch das Antragsrecht zwar entschärft, aber nicht vollumfänglich aufgehoben. Die Regelung soll aber der Verwaltungspraktikabilität Rechnung tragen und ist deshalb als EU-konform auszulegen. Der Antrag muss zwischen dem 107. und 37. Tag vor dem Wahltag bei dem zuständigen Versicherungsträger gestellt werden, das bedeutete z. B. für die 10. Sozialwahlen im Jahre 2005, für die der Wahltag der 1.6.2005 ist, eine Antragstellung zwischen dem 14.2. und dem 25.4.2005.
Rz. 8
Allein auf die Rentenversicherung ist die Regelung nach Abs. 1 Satz 3 abgestellt. Danach hat ein Versicherter das Wahlrecht bei demjenigen Versicherungsträger, der sein Konto führt. Ein Versicherter beispielsweise, der von einem bestimmten Regionalträger die Versicherungsnummer erha...