2.1 Briefwahl als einzige Wahlform (Abs. 1)
Rz. 3
Die Bestimmung des Abs. 1, die als einzige Wahlform die Briefwahl zulässt, hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Zunächst war die Stimmabgabe in eigens dafür eingerichteten Wahlräumen die Regelform der Sozialwahlen. Zwar war die Briefwahl auch schon während der Geltung des Selbstverwaltungsgesetzes (SVwG), also in der Zeit bis zum 30.6.1977 als Alternative zur persönlichen Stimmabgabe ermöglicht worden. Als die Wahlberechtigten dann seit den Sozialversicherungswahlen 1974 auch ohne besonderen Antrag zusammen mit dem Wahlausweis und dem Stimmzettel die Briefwahlunterlagen erhielten, führte das zu einer ganz überwiegenden Bevorzugung der Briefwahl. Der Anteil der in Wahlräumen abgegebenen Stimmen ging drastisch zurück und betrug bei der Sozialversicherungswahl 1980 z. B. bei der BfA 0,27 %, bei der Gesamtheit der Versicherungsträger 1,39 %. Dies und auch Gründe der Kostenersparnis haben dann zu der jetzigen Regelung geführt. Die briefliche Stimmabgabe erfolgt durch das Ausfüllen des Stimmzettels. Die Wahlunterlagen sind dann im amtlichen Briefwahlumschlag der deutschen Post AG an den Wahlausschuss zu senden. Es ist aber auch möglich, den Wahlbriefumschlag in den Hausbriefkasten des Versicherungsträgers einzuwerfen.
Das RVOrgG hat durch die Aufhebung des Abs. 1 Satz 2 die letzte Möglichkeit für Wahlen in gesonderten Wahlräumen entfallen lassen. Es handelte sich um eine Kann-Vorschrift, den Versicherten der damaligen Bundesknappschaft die Möglichkeit zur Wahl der Versichertenältesten zu geben. Nach der Gesetzesbegründung kann die Regelung entfallen, da mit der Organisationsreform die allgemeinen Vorschriften zur Selbstverwaltung auf den Bundesträger DRV Knappschaft-Bahn-See ausgedehnt werden (vgl. BR-Drs. 430/04 zu § 54 SGB IV).
2.2 Verfahren bei Aushändigung der Wahlunterlagen (Abs. 2)
Rz. 4
Auch wenn durch den Wegfall der Wahl in gesonderten Räumen die für solche Wahlen typischen Gefährdungen grundsätzlich nicht mehr auftreten, gibt es doch auch im Zusammenhang mit der Briefwahl Fallgestaltungen, bei denen Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis gefährdet sein können. Ihrer Wahrung dienen die Modalitäten nach Abs. 2. Solche Gefährdung kann dann vorkommen, wenn die Wahlunterlagen nicht übersandt, sondern ausgehändigt werden. Wenn auch in § 55 generell von Aushändigung die Rede ist, so trifft das etwa bei den Rentenversicherungsträgern nicht zu, die fast ausschließlich den Wählern die Wahlunterlagen zusenden. Der in § 55 gewählte Begriff der Aushändigung wird in diesem Zusammenhang offensichtlich als Oberbegriff verwendet, der eine Zusendung der Unterlagen mit beinhaltet. Eine Aushändigung im engeren Sinne erfolgt insbesondere durch die Arbeitgeber und die Träger der Unfallversicherung.
Rz. 5
Werden die Unterlagen in diesem Sinne "ausgehändigt" und treffen bei dieser Gelegenheit Personengruppen zusammen, so besteht die Gefahr, beobachtet und beeinflusst zu werden. Die Regelungen nach Abs. 3 sollen dieser Gefahr vorbeugen. Die Wahl als solche verliert dadurch den Charakter der Briefwahl nicht, erhält aber zusätzlich Elemente der persönlichen Stimmabgabe. Der Arbeitgeber (oder sonst für die Aushändigung der Unterlagen Verantwortliche) hat nämlich Vorkehrungen zu treffen, die den Wählern eine unbeobachtete Kennzeichnung der Stimmzettel und ihre Einfügung in den Briefumschlag ermöglichen (Satz 1). Das wird i. d. R. durch die Bereitstellung abgeschirmter Schreibplätze geschehen. Bei gleichzeitiger Aushändigung von mehr als 300 Wahlunterlagen sollen hierfür besondere Räume eingerichtet werden (Satz 2). Für das Unterbleiben jeder Beeinflussung hat der Verantwortliche darüber hinaus zu sorgen (Satz 3).
2.3 Wahltag und Beförderung der Wahlbriefe (Abs. 3 und 4)
Rz. 6
Zum Wahltag wurde der Tag bestimmt, bis zu dem die Wahlbriefe bei den Versicherungsträgern eingegangen sein müssen (Abs. 3). Dies soll nach § 10 Abs. 1 Satz 3 SVWO ein Mittwoch in dem Zeitraum vom 15.5. bis zum 15.6. des Wahljahres sein. Der Bundeswahlbeauftragte hatte z. B. für die Sozialversicherungswahlen 2005 den 1.6.2005 in der Wahlankündigung zum Wahltag bestimmt.
Rz. 7
Die Beförderung der Wahlbriefe durch die Deutsche Post AG ist nach Abs. 3 für den Wähler kostenlos, wenn sie sich in amtlichen Wahlumschlägen befinden. Die Aufgabe zur Postbeförderung ist – auch wenn die Wahlunterlagen ausgehändigt wurden und das Verfahren nach Abs. 3 beachtet wurde – immer Sache des Wählers. Der Wähler kann nach der Einschränkung des Postmonopols den Wahlbrief auch durch andere private Postdienste befördern lassen; dann entfällt allerdings die Kostenfreiheit.