0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.7.1977 in Kraft getreten. Sie hat den bis dahin geltenden § 31 des Selbstverwaltungsgesetzes (SVwG) ersetzt und wurde durch das Dritte Wahlrechtsverbesserungsgesetz (3. WRVG) v. 29.4.1997 (BGBl. I S. 968) geändert. Dieses hat mit Wirkung ab 7.5.1997 in Nr. 3 klargestellt, dass die Verordnungsermächtigung auch die Befugnis einschließt, die Wahlberechtigten vor den Wahlen über deren Zweck und Ablauf, das Wahlverfahren und die Vorschlagslisten zu unterrichten. Die Vorschrift wurde mit der Achten Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 25.11.2003 (BGBl. I S. 2304) sowie der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 30.10.2006 (BGBl. I S. 2407) redaktionell geändert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift ermächtigt gemäß Art. 80 GG das zuständige Ministerium (also nach der aktuellen Gesetzeslage das Ministerium für Arbeit und Soziales), durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Wahlordnung zur Durchführung der Sozialversicherungswahlen zu erlassen. Im gegenwärtigen Zeitpunkt gilt die Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO) v. 28.7.1997 (BGBl. I S. 1946) i. d. F. v. 12.4.2012. Sie enthält ca. als 90 Paragraphen und darüber hinaus 14 Anlagen, bei denen es um Formalien geht (etwa Muster der Vorschlagslisten, der Wahlausweise und der Stimmzettel). Die Wahlordnung wurde mehrfach geändert, wobei die wichtigsten Änderungen die Ausweitung der Wahlberechtigung auf EU-Bürger aus Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz (sog. Vertragsstaaten) betrafen, ferner auch die Einführung von Stimmzettelschablonen für blinde und sehbehinderte Wahlberechtigte und die Einführung gemeinsamer Versichertenältesten bei der Bundesknappschaft für Arbeiter und Angestellte. Die Änderungen erfolgten durch folgende Verordnungen und Gesetze:
- Verordnung zur Änderung der Wahlordnung für die Sozialversicherung v. 22.7.1998 (BGBl. I S. 1894),
- Viertes Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 (BGBl. I S. 1983),
- Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze v. 27.4.2002 (BGBl. I S. 1467),
- Zweite Verordnung zur Änderung der Wahlordnung für die Sozialversicherung v. 10.11.2003 (BGBl. I S. 2274),
2 Rechtspraxis
2.1 Rechtsnatur der Verordnung
Rz. 3
Bei der Verordnung handelt es sich nach ausdrücklicher Bestimmung (vgl. Satz 1) um eine Rechtsverordnung, die als solche den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen muss. Das ermächtigende Gesetz muss also Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung eindeutig festlegen. Das ist durch § 56 in ausreichendem Maße geschehen, wenn auch Satz 2 durch die Formulierung ("insbesondere") klar macht, dass die in der Vorschrift genannten 14 Sachbereiche keine abschließende Aufzählung darstellen. Eine verfassungskonforme Auslegung der Regelung lässt aber beliebige zusätzliche Regelungen nicht zu. Zusätzliche Regelungen müssen vielmehr in einem engen Sachzusammenhang mit den in Satz 2 aufgeführten Bereichen stehen.
2.2 Regelungen der SVWO
Rz. 4
Die SVWO enthält elementare Regelungen. In § 23 SVWO ist etwa die Regelung über die Zulassung der Vorschlagslisten durch den Wahlausschuss enthalten. Denn eine unberechtigte Zurückweisung einer Vorschlagsliste kann zur Unwirksamkeit der gesamten Wahl führen (BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 28/14 R). Die ca. 90 Paragraphen der SVWO decken die in § 56 Satz 2 angesprochenen Themenbereiche wie folgt ab. Es betreffen
- §§ 1 bis 9 (ERSTER TEIL) die Wahlorgane,
- §§ 10 bis 61 (ZWEITER TEIL) die Wahl der Mitglieder der Vertreterversammlungen sowie die Wahl der Mitglieder der Verwaltungsräte (in der Kranken- und Pflegeversicherung).,
- §§ 73 bis 79 (VIERTER TEIL)die Wahl der Vorsitzenden der Selbstverwaltungsorgane,
- §§ 80, 81 (FÜNFTER TEIL) die Wahl von Versichertenältesten sowie von Vertrauenspersonen,
- §§ 82 bis 87 (SECHSTER TEIL) die Kosten, sowie
- §§ 88 bis 95 (SIEBTER TEIL) Schlussvorschriften.
Die Regelung in Satz 2 ist nicht abschließend (insbesondere). Deshalb sind in der Wahlordnung auch Bestimmungen möglich, die nicht in der Aufzählung enthalten sind. Die Verordnungsermächtigung gilt nur für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Es ist nicht berechtigt durch weitere Delegation die ihm eingeräumte Rechtsetzungsbefugnis auf andere Stellen (etwa den Bundeswahlbeauftragten) zu übertragen (BVerfGE 8 S. 155).