Rz. 48
Eine kurzfristige Beschäftigung i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 i. d. F. v. 1.1.2019 liegt vor, wenn die Beschäftigung für eine Zeitdauer ausgeübt wird, die im Laufe eines Kalenderjahres seit ihrem Beginn auf nicht mehr als
3 Monate
oder
- insgesamt 70 Arbeitstage
nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist.
Der Gesetzgeber hat durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.08.2014 (BGBl. I S. 1348) für einen Übergangszeitraum vom 1.1.2015 bis 31.12.2018 die zeitliche Eingrenzung auf 3 Monate bzw. 70 Arbeitstage erweitert, § 115 SGB VI. Durch das Qualifizierungschancengesetz v. 18.12.2018 (BGBl. I S. 2651) wurde die Erweiterung auf 3 Monate bzw. 70 Tage ab dem 1.1.2019 dauerhaft festgeschrieben. Vom 1.3.2021 bis einschließlich 31.10.2021 wurden diese Zeiträume durch § 132 Satz 1 auf längstens 4 Monate oder 102 Arbeitstage erweitert, um Saisonbeschäftigungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie zu erleichtern.
Die beiden Alternativen des § 8 Abs. 1 (Zeit- und Entgeltgeringfügigkeit) sind streng voneinander zu trennen (vgl. Rz. 3). Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nicht mehr vor, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird (vgl. Rz. 54 ff.) und das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet. Das BSG hat mit Urteil v. 1.2.1979 (12 RK 7/77) festgestellt, dass eine gelegentliche Aushilfsbeschäftigung nicht vorliegt, wenn Dienstleistungen regelmäßig in bestimmten Abständen eines Jahres verrichtet werden, weil dann eine berufsmäßig ausgeübte Beschäftigung vorliegt (vgl. Rz. 54 ff.). Das gilt selbst dann, wenn die geltenden Zeitgrenzen nicht überschritten werden. Diese Beschäftigten gehören dann zu den berufsmäßig Beschäftigten (vgl. BSG, Urteil v. 28.4.1982, 12 RK 1/80).
Eine zeitliche Begrenzung der Beschäftigung ist gegeben, wenn sie sich aus der Art, dem Wesen oder dem Umfang der zu verrichtenden Arbeit ergibt.
Rz. 49
Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nicht vor, wenn die Zeitdauer von Arbeitstagen im Lauf eines Kalenderjahres innerhalb eines Dauerarbeitsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Arbeitsverhältnisses überschritten wird. Es ist dann allerdings zu prüfen, ob wegen bestehender Regelmäßigkeit die Voraussetzungen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung erfüllt sind (vgl. Rz. 2 ff.).
Nach dem Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen (Nachweisgesetz – NachwG) ist spätestens einen Monat nach Beginn des – auch befristeten – Arbeitsverhältnisses, die vorhersehbare Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses in den Arbeitsvertrag oder zumindest in einer vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterzeichneten Niederschrift über die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses festzuhalten. Die Rentenversicherungsträger verlangen inzwischen bei ihren Betriebsprüfungen Einsicht in die Arbeitsverträge oder Niederschriften über die wesentlichen Vertragsbedingungen. Wenn keine Arbeitsverträge abgeschlossen wurden und keine Niederschriften über die wesentlichen Vertragsbedingungen vorliegen, gehen die Prüfer zumeist davon aus, dass es sich um ein unbefristetes und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Daher ist es besonders wichtig, die voraussichtliche Dauer des Beschäftigungsverhältnisses unter Beachtung des Nachweisgesetzes auch schriftlich vorweisen zu können.
2.3.1 Zeitlicher Rahmen von 3 Monaten oder 70 Arbeitstagen
Rz. 50
Bislang war nach h. M. in sinngemäßer Anwendung des Urteils des BSG v. 27.1.1971 (12 RJ 118/70) im Allgemeinen von dem 2- (bzw. nunmehr 3-) Monatszeitraum dann auszugehen, wenn der Beschäftigte an die betriebsübliche Arbeitszeit gebunden war. Die Alternative, die Frist nach Arbeitstagen zu berechnen, wurde erst dann als maßgeblich angesehen, wenn eine monatliche Betrachtungsweise nicht mehr möglich war, weil sich die Zeiträume nicht mehr mit der betriebsüblichen Arbeitszeit ständig Beschäftigter deckten. Mit Urteil v. 24.11.2020 (B 12 KR 34/19 R) hat das BSG dieser Ansicht widersprochen. Die nach Arbeitstagen berechnete Zeitgrenze finde nach dem Gesetzeswortlaut als gleichwertige Tatbestandsalternative nicht nur bei einer bestimmten – nicht aufeinanderfolgenden – Verteilung der Arbeitstage Anwendung. Entgegen der herrschenden, aber weitgehend nicht begründeten Kommentarliteratur sowie den "Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen" sei bei einer an mindestens 5 Tagen in der Woche ausgeübten Beschäftigung nicht allein auf die 2-Monats-Regelung abzustellen.
Rz. 51
Bei der Prüfung der Frage, ob die geltenden Zeitgrenzen einer kurzfristigen Beschäftigung überschritten werden, sind die Zeiten sämtlicher kurzfristigen Beschäftigungen zusammenzurechnen. Die Zusammenrechnung der verschiedenen kurzfristigen Beschäftigungen hat auch zu erfolgen, wenn die Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern ausgeübt wurden.
Die Prüfung, ob die Zeitgrenzen überschritten werden, ist in der Weise vorzunehmen, dass jeweils bei Beginn jeder ...