2.1 Inhalt der Regelung
Rz. 2
Die Vorschrift bestimmt die Versicherungspflicht der Beschäftigten und der Personen, die kraft gesetzlicher Fiktion diesem Personenkreis gleichgestellt werden. Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich der Versicherung kraft Gesetzes (§§ 1 bis 4), der freiwilligen Versicherung (§ 7), der Versicherung durch Versorgungsausgleich, Nachversicherung und Rentensplitting (§ 8) sowie der Versicherung aufgrund von Beitragszahlung bei Kindererziehungszeiten (§ 56).
2.2 Normzweck
Rz. 3
Normzweck ist die Einbeziehung weiter Teile der Bevölkerung in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung kraft Gesetzes und willensunabhängig. Die Vorschrift erfüllt damit eine soziale Schutzfunktion. Der Gesetzgeber geht daher zu Recht insbesondere von der besonderen Schutzbedürftigkeit der Zielgruppe der weisungsabhängigen Beschäftigten aus. Zugleich stärkt der Gesetzgeber mit diesem Modell der Einbeziehung einer ganzen Gruppe in die gesetzliche Pflichtversicherung der Rentenversicherung aber auch die Leistungsfähigkeit des beitragsabhängigen Systems; Ausnahmeregelungen – wie die in § 6 geregelten Befreiungstatbestände – sind daher im Lichte dieser Sicherstellungsfunktion der Leistungsfähigkeit eng auszulegen. Gleichzeitig werden die Bevölkerungskreise ausgenommen, die nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen; die Funktion der Vorschrift hat damit auch bereits Ausgrenzungsfunktion z. B. für die Personengruppe der Richter, für die § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – zusammen mit der Berufsgruppe der Beamten und Berufssoldaten – ausdrücklich die Versicherungsfreiheit vorsieht (vgl. weitergehend aber unten Rz. 9). Der Begriff der Beschäftigung wird in § 7 SGB IV definiert als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Geprägt wird die nichtselbstständige Arbeit durch die persönliche Abhängigkeit; Anhaltspunkte hierfür sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Durch Satz 4 wird im Wege der Fiktion der Beschäftigtenbegriff auf den Personenkreis erweitert, der in den Nr. 2 bis 4 genannt ist. Außerhalb des SGB VI ist die Aufnahme in den Kreis der Versicherten etwa im FRG oder WGSVG vorgesehen. Dabei wird an Tatbeistände angeknüpft, die außerhalb des Geltungsbereichs des SGB VI erfüllt werden.
2.3 Begriff des Versicherungsverhältnisses und Begriff des Beschäftigten
Rz. 4
Den Begriff des Versicherungsverhältnisses hat das Gesetz nicht definiert. Durch die Rechtsprechung ist eine Begriffsbestimmung vorgenommen worden. Danach wurde auch schon vor der Organisationsreform durch das RVOrgG v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3242) das Versicherungsverhältnis teilweise als jede durch eine Norm des Rentenversicherungsrechts begründete, auf die Absicherung eines in der Rentenversicherung geregelten Risikos zielende rechtliche Beziehung zu einem Versicherungsträger verstanden (BSG, Urteil v. 29.7.1997, 4 RA 107/95) oder als ein Rechtsverhältnis, mit dem ein in der Rentenversicherung vorgesehener Leistungsanspruch oder eine Anwartschaft darauf begründet wurde (BSG, Urteil v. 4.7.1962, 3 RK 53/58). Aus dem Versicherungsverhältnis ergibt sich ein Leistungsanspruch regelmäßig nur dann, wenn eine tatsächliche oder fiktive Beitragszahlung erfolgt ist (BSG, Urteil v. 18.8.1992, 12 RK 7/92).
Rz. 5
Versicherungspflicht tritt unabhängig von der Kenntnis und dem Willen der davon erfassten Personen oder Dritten ein (BSG, Urteil v. 13.12.1984, 11 RK 3/84). Der Eintritt von Versicherungspflicht wird jedoch ausgeschlossen, wenn ein Tatbestand der Versicherungsfreiheit vorliegt (vgl. § 5) oder wenn von der Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag Gebrauch gemacht wird (§ 6). Über diese eng begrenzten Befreiungsmöglichkeiten hinaus haben die Beschäftigten kein Dispositionsrecht, auch nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen, z. B. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Vorschriften über die Versicherungspflicht als zwingende öffentlich-rechtliche Regelungen nicht vertraglich abbedungen werden können (§ 32 SGB I). Die Versicherungspflicht kraft Gesetzes (§§ 1 bis 3) beginnt und endet mit dem Tag des Beginns oder Wegfalls der die Versicherungspflicht begründenden Tatbestandsmerkmale, also im Regelfall mit der entgeltlichen Beschäftigung. Im SGB VI ist damit das in den Vorgängernormen geltende sog. Monatsprinzip nicht übernommen worden. Hinsichtlich der Auswirkung dieses taggenauen Beginns oder Endes auf rentenversicherungsrechtliche Zeiten wird auf §§ 54, 122 und die dortige Kommentierung verwiesen.
Rz. 6
Soweit Versicherungspflicht nach mehreren Vorschriften eintreten kann, wird das Konkurrenzverhältnis lediglich in § 3 Satz 5 gesetzlich bestimmt. Als allgemein anerkannter Grundsatz gilt entsprechend dem Willen des Gesetzes in den anderen Konkurrenzfällen, dass Versicherungspflicht immer nur nach einer Vorschrift eintritt, und zwar nach derjenigen, die im Einzelfall den günstigeren Schutz gewährleistet (BT-Drs. 12/826 S. 15, BT-Drs. 14/151 S. 37 f.). Bei gleichem Schutz ist die niedrigere Beitragsbelastung...