2.1 Versagung der Rente
Rz. 2
Zu den Renten aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zählen u. a. die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43 und 240), Renten für Bergleute (§ 45), die Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37) und die großen Witwen- bzw. Witwerrenten, die wegen Erwerbsminderung gezahlt werden (§ 46 Abs. 2, § 243 Abs. 2 und 3).Eine entsprechende Anwendung auf andere Rentenarten scheidet wegen des Sanktionscharakters aus.
Rz. 3
Im Unterschied zu § 103 stellt die Regelung in § 104 keinen Ausschlussgrund, sondern nur einen Versagungsgrund dar, bei dem dem Rentenversicherungsträger ein Ermessensspielraum eingeräumt wird. Dabei ist auch zu prüfen, ob eine Versagung der Rente in vollem Umfang oder lediglich eine teilweise Versagung erfolgen soll. Die Ermessensausübung hat sich auf alle Umstände des Einzelfalls zu erstrecken, wobei insbesondere der Tathergang und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten mit den Interessen der Solidargemeinschaft in Relation zu stellen sind. Die gemäß § 35 SGB X erforderliche Begründung ist wegen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Ermessensentscheidungen besonders wichtig. Das Sozialgericht prüft neben den tatbestandlichen Voraussetzungen lediglich, ob Ermessen ausgeübt worden ist und ob Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensmissbrauch) vorliegen.
Rz. 3a
Bei einer vollständigen Versagung der Rente liegt ein Rentenanspruch dem Grunde nach nicht vor, so dass z. B. auch eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner ausscheidet. Wird die Rente nur teilweise versagt, ist der Rentenanspruch dem Grunde nach anerkannt. In diesem Fall kann z. B. eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner entstehen. Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger werden selbst bei einer vollständigen Versagung nicht berührt (Kater, in: KassKomm, SGB VI, § 104 Rz. 6 m. w. N.).
2.2 Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen
Rz. 4
Die Begriffe Verbrechen und vorsätzliches Vergehen sind in § 12 StGB definiert. Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die mindestens mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind; Vergehen sind rechtswidrige Taten, die mindestens mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind (§ 12 Abs. 1 und 2 StGB). Unerheblich sind hierbei Verschärfungen oder Milderungen, die für besonders schwere oder minderschwere Fälle vorgesehen sind (§ 12 Abs. 3 StGB). Hinsichtlich der Begehung der Straftat ist immer Vorsatz erforderlich. Es reicht jedoch jede Art von Vorsatz aus. Neben dem direkten Vorsatz, d. h. die Straftat ist mit Wissen und Wollen verübt worden, genügt auch der bedingte Vorsatz, d. h. der Erfolg der Straftat ist billigend in Kauf genommen worden. Soweit die Straftat ein Verbrechen ist, reicht auch eine fahrlässige Begehung aus. Das ergibt sich aus der Differenzierung in Satz 1 am Ende. Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherte als Täter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt war. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen strafbarer Handlung und gesundheitlicher Beeinträchtigung bestehen; es reicht hingegen nicht aus, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung lediglich bei Gelegenheit der strafbaren Handlung eintritt (BSGE 25, 161). Die strafbare Handlung muss durch ein rechtskräftiges Strafurteil (§ 260 StPO) festgestellt worden sein. Insoweit besteht ein Unterschied zu den Regelungen in §§ 103 und 105. Ein rechtskräftiger Strafbefehl reicht wegen seiner Gleichstellung (§§ 407, 410 StPO) ebenfalls aus, wird aber in der Praxis nicht häufig relevant werden. Hinsichtlich dieser Feststellung der Strafgerichte besteht für den Rentenversicherungsträger (und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit) Bindungswirkung.
Rz. 5
Eine Versagung der Rente kann gemäß Abs. 1 Satz 2 auch dann ausnahmsweise erfolgen, wenn der Erlass eines Urteils nicht erforderlich ist, wenn in der Person des Berechtigten liegende Gründe einem strafgerichtlichen Urteil entgegenstehen. Dies ist z. B. gegeben, wenn der Versicherte nur deshalb nicht verurteilt werden kann, weil er zwischenzeitlich verstorben ist oder sich im Ausland aufhält und entsprechende Auslieferungsabkommen nicht bestehen. Satz 3 stellt schließlich klar, dass im knappschaftlichen Bereich Zuwiderhandlungen gegen Bergverordnungen oder bergbehördliche Anordnungen nicht als Versagungsgrund gelten. § 104 betrifft nur den jeweiligen, auf eine bestimmte Person bezogenen Rentenanspruch, nicht das Stammrecht, sodass Hinterbliebene nicht hinsichtlich ihrer Rentenansprüche betroffen werden.
2.3 Unterhaltsberechtigte Personen
Rz. 6
Im Gegensatz zum früheren Recht kann die versagte Rente nicht mehr an alle Angehörigen, die der Rentenberechtigte überwiegend unterhalten hat, gezahlt werden, sondern nur noch an unterhaltsberechtigte Ehegatten, Lebenspartner und Kinder. Im Gegensatz zur früheren Regelung ist eine Unterhaltszahlung nicht erforderlich. Der Anspruch auf Unterhalt reicht aus. Infolge der klaren gesetzlichen Regelung scheiden insbesondere frühere Ehegatten (§ 243) aus. Als Lebenspartner gelte...