2.1 Vereinbarung zur Zuständigkeit der Einzugsstellen (§ 211 Satz 1 Nr. 1)
Rz. 5
Für die Zahlung von Pflichtbeiträgen aus dem Arbeitsentgelt abhängig Beschäftigter sowie für Hausgewerbetreibende gelten gemäß § 174 Abs. 1 die in §§ 28d bis 28n und 28r SGB IV enthaltenen Regelungen über die Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfasst die für abhängig Beschäftigte zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 28d SGB IV).
Gemäß §§ 28e Abs. 1 Satz 1, 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die jeweils zuständige gesetzlichen Krankenkasse (§ 21 Abs. 2 SGB I) in ihrer Funktion als Beitragseinzugsstelle zu zahlen. Vor diesem Hintergrund bietet sich auch die in § 211 Satz 1 Nr. 1 enthaltene Option einer Zuständigkeitsvereinbarung mit den Einzugsstellen an, wenn Beiträge in der irrtümlichen Annahme von Versicherungspflicht nach § 1 oder in falscher Höhe (§§ 157 bis 159, 161 Abs. 1, 162, 163 i. V. m. § 20 Abs. 2, 2a und 3 SGB IV) gezahlt worden sind.
Die für Einzugsstellen einschlägige Vereinbarung i. S. v. § 211 Satz 1 Nr. 1 ergibt sich aus den "Gemeinsamen Grundsätzen für die Auf- bzw. Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung aus einer Beschäftigung", die vom GKV-Spitzenverband, der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie der Bundesagentur für Arbeit erarbeitet und beschlossen worden sind.
Die letzte Überarbeitung dieser Gemeinsamen Grundsätze erfolgte am 20.11.2019 (vor allem) wegen der mit Wirkung zum 1.1.2017 durch das Flexirentengesetz v. 8.12.2016 (BGBl. I S. 2838) in Kraft getretenen Änderungen hinsichtlich der rentenversicherungsrechtlichen Beurteilung von Altersvollrentenbeziehern, die auch noch nach Erreichen ihrer Regelaltersgrenze eine abhängige Beschäftigung ausüben. Nach den Gemeinsamen Grundsätzen v. 20.11.2019 sind die Rentenversicherungsträger in jedem Fall für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Rentenversicherungsbeiträge zuständig, wenn seit Beginn des Erstattungszeitraums Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt, bewilligt oder gewährt worden sind. Dies gilt auch für Beiträge, die z. B. gemäß § 172 Abs. 1 vom Arbeitgeber allein getragen worden sind, weil ein nach Erreichen seiner Regelaltersgrenze abhängig beschäftigter Altersvollrentenbezieher von der in § 5 Abs. 4 Satz 2 geregelten Option des Verzichts auf die Versichericherungsfreiheit keinen Gebrauch gemacht hat.
Die Zuständigkeitsvereinbarungen für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge ergeben sich im Einzelnen aus Punkt 4.3 der Gemeinsamen Grundsätze v. 20.11.2019. Danach sind für die Bearbeitung von Anträgen auf Beitragserstattungen für zu Unrecht gezahlte Beiträge aufgrund einer abhängigen Beschäftigung grundsätzlich die Einzugsstellen zuständig (vgl. Pkt. 4.3.1 der Gemeinsamen Grundsätze v. 20.11.2019).
Abweichend von diesem Grundsatz ist die Zuständigkeit des kontoführenden Rentenversicherungsträgers nach Punkt 4.3.2 der Gemeinsamen Grundsätze v. 20.11.2019 zwingend gegeben, wenn
- seit Beginn des Erstattungszeitraums Leistungen (z. B. Renten, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Teilhabe am Arbeitsleben) beantragt, bewilligt oder gewährt wurden,
- die zu Unrecht gezahlten Beiträge als freiwillige Beiträge gelten sollen oder beabsichtigt ist, für den Erstattungszeitraum freiwillige Beiträge in anderer Höhe zu zahlen (§ 202),
- die zu Unrecht gezahlten Beiträge wegen einer Betriebsprüfung bereits gemäß § 26 Abs. 1 SGB IV dem Beanstandungsschutz unterliegen und der Versicherte keinen Verzicht auf den Beanstandungsschutz erklärt hat,
- der Erstattungsanspruch ganz oder teilweise gemäß § 27 Abs. 2 und 3 SGB IV verjährt ist,
- eine Forderung des Rentenversicherungsträgers gegen einen beteiligten Erstattungsberechtigten vorliegt,
- die zu Unrecht gezahlten Beiträge für Zeiten nach Beginn einer mitgliedsstaatlichen Vollrente wegen Alters nach Erreichen der Regelaltersgrenze gezahlt wurden und die Rentenversicherungspflicht nicht nach Anhang XI Deutschland Nr. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 beantragt worden ist,
- die Beiträge nach § 28e Abs. 1 Satz 3 SGB IV lediglich als gezahlt gelten, weil der Rentenversicherungsträger gleichzeitig der Arbeitgeber des abhängig Beschäftigten ist.
Für die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beiträge ist in den vorgenannten Fällen der aktuell kontoführende Rentenversicherungsträger zuständig. Der Antrag auf Beitragserstattung ist allerdings in jedem Fall an die jeweils zuständige Einzugsstelle zu richten (Pkt. 4.2 der Gemeinsamen Grundsätze v. 20.11.2019). Bei Feststellung der Zuständigkeit eines Trägers der Deutschen Rentenversicherung hat die Einzugsstelle den Antrag mit einer Stellungnahme zum Abgabegrund innerhalb von 4 Wochen nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags an den kontoführenden Rentenversicherungsträger weiterzuleiten (Pkt. 4.3.4 der Gemeinsamen Grundsätze v. 20.11.2019). Bei Nichtbeachtung der Abgabeverpflichtung haben die ...