Dr. Arno Baumeister, Hans-Peter Mulzer
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift i.d.F. des RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) wurde mit Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) v. 21.7.2004 (BGBl. I S. 1791) mit Wirkung zum 1.8.2004 (Art. 15 Abs. 1 des genannten Gesetzes) neu gefasst. Mit dem Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3242) wurde die bisherige Fassung des Abs. 1 inhaltlich und redaktionell angepasst und ein neuer Abs. 2 angefügt. Diese Neufassung gilt ab dem 1.1.2006 (Art. 86 Abs. 5 RVOrgG).
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 216 ist lex specialis zu §§ 81, 82 SGB IV. Die sich abzeichnenden Auswirkungen des demographischen Wandels in der Gesellschaft verlangen nach Auffassung des Gesetzgebers eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Politik. Dies kommt nicht nur in der Bezeichnung des Gesetzes zum Ausdruck, sondern auch in der Bezeichnung der Rücklage der Rentenversicherung.
Rz. 3
Die Neufassung bringt schon sprachlich zum Ausdruck, dass es sich um eine gemeinsame Rücklage handelt. In der in Abs. 2 geregelten Verwaltung der Nachhaltigkeitsrücklage ist ein Teil des Kompromisses über die Finanzverfassung der Rentenversicherung zwischen Bund und Ländern zu sehen. Der Grundbestand in Höhe einer halben Monatsausgabe der Rentenausgaben ist dauerhaft durch die Deutsche Rentenversicherung Bund zu verwalten. Überschreitet die Nachhaltigkeitsrücklage längerfristig diesen Betrag, so geht für diesen überschreitenden Betrag die Verwaltung auf die einzelnen Träger über.
2 Rechtspraxis
2.1 Ziel der Nachhaltigkeitsrücklage
Rz. 4
Die geänderte Funktion der Umwandlung der Schwankungsreserve in eine Nachhaltigkeitsrücklage kommt durch die Anhebung des oberen Zielwerts auf 1,5 Monatsausgaben zum Ausdruck (§ 158 Abs. 1 Satz 1). Die Erforderlichkeit von Rücklagen in der Rentenversicherung beruht vordergründig darauf, dass den konstanten Ausgaben im Jahresverlauf monatlich wechselnde Einnahmen gegenüberstehen. Nicht vorhersehbar sind des Weiteren konjunkturelle Schwankungen, die einen Ausgleich aus den Rücklagen vor einer Beitragserhöhung erforderlich machen.
Rz. 5
Das erste Ziel einer unterjährigen Liquiditätssicherung kann nach Auffassung des Gesetzgebers auch weiterhin mit dem unteren Zielwert einer Rücklage von 0,2 Monatsausgaben erreicht werden.
Rz. 6
Eine konjunkturelle Belebung und damit verbunden höhere Beitragseinnahmen würden bei einem höheren oberen Zielwert und den damit verbundenen Rücklagen die Beiträge zur Rentenversicherung weniger konjunkturanfällig machen. Der Beitragssatz soll erst dann einer Änderung zugeführt werden, wenn zu erwarten ist, dass infolge der Ausgaben der Rentenversicherung und der zu erwartenden Einnahmen der Korridor zwischen Mindestrücklage und Höchstnachhaltigkeitsrücklage nicht mehr eingehalten wird. Eine erhöhte Rücklage, die zur Abdämpfung vorübergehender Beitragsausfälle herangezogen werden kann, stabilisiert nicht nur den Beitragssatz, sondern das gesamte System der Rentenversicherung.
Rz. 7
Mit der Erhöhung des oberen Zielwerts kommt der Gesetzgeber auch Forderungen der Praxis und entsprechenden Kommissionsvorschlägen nach. Übereinstimmend wurde eine höhere Rücklage als dämpfendes Element für Beitragsschwankungen für erforderlich erachtet. Das Abstellen einer Beitragserhöhung auf eine bestimmte Mindestrücklage führt zu einer erheblichen Unsicherheit der unterjährigen Liquidität bei auftretenden konjunkturellen Schwankungen.
2.2 Anlagemöglichkeiten
Rz. 8
Die Nachhaltigkeitsrücklage ist ihrem Zweck entsprechend liquide anzulegen (§ 217 Abs. 1 Satz 1). Dabei ist zu beachten, dass zur Nachhaltigkeitsrücklage neben der Rücklage auch noch die Betriebsmittel zählen. Die Betriebsmittel als liquide Mittel umfassen beispielsweise laufende Konten oder Festgeldkonten.
Rz. 9
In den Rücklagen können aber – aus früheren gesetzlich vorgesehenen Anlagemöglichkeiten – noch illiquide Mittel wie z.B. Wertpapiere oder Haus- und Grundbesitz enthalten sein.
Rz. 10
Abs. 1 Satz 2 bestimmt ausdrücklich, dass das Verwaltungsvermögen (§ 222 Abs. 2) nicht zur Nachhaltigkeitsrücklage gehört. Damit wird der liquide Ausgleichscharakter der Nachhaltigkeitsrücklage nochmals ausdrücklich betont.
2.3 Verwaltung der Nachhaltigkeitsrücklage
Rz. 11
Nach dem Wortlaut des § 216 Abs. 2 gibt es nur eine gemeinsame Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung. Die Verwaltung dieser Rücklage war infolge der Neuordnung der Finanzverfassung der Rentenversicherung neu zwischen den beteiligten Trägern zu regeln. Im Umfang von einer halben Monatsausgabe der Rentenversicherung wird die Rücklage dauerhaft von der Deutschen Rentenversicherung Bund verwaltet. Dauerhaft bedeutet, dass unabhängig vom Gesamtumfang der Nachhaltigkeitsrücklage der Betrag bis zu einer halben Monatsausgabe immer der Verwaltung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund unterliegt.
Rz. 12
Wird dieser Grenzwert "über einen längeren Zeitraum" überschritten, so obliegt die Verwaltung des überschreitenden Betrags den Trägern der allgemeinen Rentenversicherung. Der Begriff "längerer Zeitraum" enthä...