Rz. 17
Nach Abs. 3 ist die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt, wenn ein Versicherter vor dem 1.1.1992 und nach dem 31.12.1972 infolge eines Unfalls erwerbsunfähig geworden oder gestorben ist und in den letzten 2 Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls mindestens 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nachweist.
Die vorzeitige Wartezeiterfüllung nach Abs. 3 setzt ebenfalls das Vorliegen einer Versicherteneigenschaft voraus (siehe hierzu Kommentierung zu RZ 4).
§ 245 Abs. 3 ist eine Übergangsregelung zu § 53 Abs. 2, die nur einschlägig ist, wenn ein Versicherter wegen eines Unfalls vor dem 1.1.1992, aber nach dem 31.12.1972 erwerbsunfähig i. S. d. § 44 Abs. 2 (i. d. F. bis 31.12.2000) geworden oder gestorben ist. Bei Prüfung der vorzeitigen Wartezeiterfüllung ist in diesen Fällen zunächst die Gundnorm des § 53 Abs. 2 anzuwenden. Liegen die Voraussetzungen nach der Grundnorm nicht vor, bleibt zu prüfen, ob die allgemeine Wartezeit nach der Übergangsregelung des § 245 Abs. 3 vorzeitig erfüllt ist.
Rz. 18
§ 245 Abs. 3 kommt dabei nur zur Anwendung, wenn die Erwerbsunfähigkeit oder der Tod eines Versicherten infolge eines Unfalls eingetreten ist. Unter einem Unfall ist in Anlehnung an die Definition der gesetzlichen Unfallversicherung ein plötzliches, von außen auf den Menschen einwirkendes, körperlich schädigendes Ereignis zu verstehen. Die Vorschrift erfasst mit Ausnahme von Arbeitsunfällen alle Arten von möglichen Unfällen (z. B. Freizeitunfälle, Verkehrsunfälle, soweit es sich nicht um Wegeunfälle i. S. d. gesetzlichen Unfallversicherung handelt, häusliche Unfälle, Unfälle infolge Alkohol- oder Drogenmissbrauchs usw.). Ein Unfall i. S. d. Abs. 3 liegt auch bei einer körperlichen Schädigung durch Dritte vor, und zwar unabhängig davon, ob dieser Schädigung Vorsatz oder Fahrlässigkeit zugrunde gelegen hat. Ein Selbstmord oder eine körperliche Schädigung aufgrund eines Selbstmordversuchs könnte ebenfalls als Unfall beurteilt werden, wenn der Tat eine gewisse Unfreiwilligkeit zugrunde lag. Hiervon kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausgegangen werden, wenn zur Zeit der Tat die freie Willensbildung des Versicherten wesentlich beeinträchtigt gewesen ist (BSG, 4a RJ 9/86, SozR zu § 1252 RVO Nr. 6).
Abs. 3 setzt darüber hinaus voraus, dass sich der Unfall, welcher Erwerbsunfähigkeit oder den Tod eines Versicherten zur Folge hatte, innerhalb von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung ereignet hat. Die Frist von 6 Jahren ist hierbei gemäß § 26 SGB X i. V. m. §§ 187 bis 193 BGB auf den Tag genau zu bestimmen. Sie beginnt am Tag nach Beendigung der Ausbildung und endet 6 Jahre später mit dem Tag, der der Zahl nach dem letzten Tag der Ausbildung entspricht. Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, verlängert sich die 6-Jahresfrist auf den nächsten Werktag.
Abs. 3 ist nach der Rechtsauslegung der Rentenversicherungsträger darüber hinaus auch anzuwenden, wenn der Leistungsfall der gesetzlichen Rentenversicherung während einer Ausbildung eingetreten ist. Diese Rechtsauslegung stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes, der mit den Worten "vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung" lediglich das Ende des Zeitpunkts bestimmt, bis zu dem der Leistungsfall spätestens eingetreten sein müsste, damit die Regelung über die vorzeitige Wartezeiterfüllung zur Anwendung kommen kann. Dem Urteil des BSG v. 21.6.2000 (B 4 RA 14/99 R), nach dem eine vorzeitige Wartezeiterfüllung nicht in Betracht kommt, wenn die Erwerbsunfähigkeit während einer Ausbildung eingetreten ist, wird von den Rentenversicherungsträgern nur für den entschiedenen Einzelfall gefolgt.
Ausbildung i. S. d. Vorschrift ist jede Aus-, Fort- und Weiterbildung, für die ein geordneter, meist staatlich geregelter Ausbildungsgang besteht soweit sie die Zeit und Arbeitskraft des Versicherten überwiegend in Anspruch genommen hat. Auf den Abschluss der Ausbildung kommt es für die Anwendung von Abs. 3 nicht an. Abgesehen von Berufsausbildungen und beruflichen Umschulungen, die ebenfalls als Ausbildungen i. S. d. Vorschrift anzusehen sind, musste ein Versicherter wegen der Ausbildung an einer Pflichtbeitragszahlung gehindert gewesen sein. Soweit im Einzelfall mehrere Ausbildungen zurückgelegt worden sind, löst die Beendigung jeder Ausbildung den Lauf einer eigenständigen Frist von 6 Jahren aus.
Versicherungsrechtliche Voraussetzung für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung nach Abs. 3 ist außerdem der Nachweis von 6 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 2 Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit oder des Todes. In analoger Anwendung des § 53 Abs. 3 sind als Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bei Prüfung dieser Voraussetzung auch die folgenden Beitragszeiten anzusehen:
- freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten (§ 205 Abs. 1 Satz 3, § 279 e Abs. 1 in der am ...