2.1 Überblick: Doppelte Haltelinie – Haltelinie vor Steuern und Haltelinie Beitragssatz
Rz. 4
Mit dem RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz v. 28.11.2018 (BGBl. I S. 2016) hat der Gesetzgeber eine doppelte Haltelinie in die Rentenversicherung aufgenommen. Die eine Haltelinie Steuern betrifft die hier in § 255e geregelte Höhe der Rente, indem ein Sicherungsniveau vor Steuern bei 48 % – Haltelinie vor Steuer – festgeschrieben wird.
Rz. 5
Die andere Haltelinie betrifft den Beitragssatz, dessen Sicherungsniveau auf 20 % festgeschrieben wurde. Die Beitragssatzgarantie bis 2025 ist in § 287 geregelt.
Rz. 6
Die beiden Haltelinie sind insoweit auch Gegenstand von § 154 Abs. 3, der gesetzlich anordnet, dass diese beiden Haltelinie unbedingt gelten. Danach darf das Sicherungsniveau vor Steuern bis zum Jahr 2025 48 % nicht unterschreiten; der Beitragssatz darf bis zum Jahr 2025 das Niveau von 20 % nicht überschreiten. § 154 Abs. 3a regelt den Inhalt des Sicherungsniveaus vor Steuern (vgl. instruktiv hierzu auch BT-Drs. 19/4668 S. 34). Das Sicherungsniveau vor Steuern für das jeweilige Kalenderjahr wird mit der entsprechenden Rentenwertbestimmungsverordnung bestimmt, zu dessen Erlass der Gesetzgeber der Bundesregierung die Verordnungsermächtigung nach § 255f auch für die Festlegung des Sicherungsniveaus vor Steuern gegeben hat.
2.2 Haltelinie vor Steuern – Mindestsicherungsniveau – Abs. 1
Rz. 7
Durch das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz v. 28.6.2022 (BGBl. I S. 975) wurde mit Wirkung zum 1.7.2022 in Abs. 1 der Begriff Mindestsicherungsniveau eingefügt.
Rz. 8
Der Begriff hat allein klarstellende Funktion (BT-Drs. 20/1680 S. 27 f. = BR-Drs. 170/22 S. 22), damit geht keine inhaltliche Änderung der Regelung einher. Wie auch in der Vergangenheit soll das Sicherungsniveau von 48 % (§ 154 Abs. 3) nicht unterschritten werden.
Rz. 9
Das Sicherungsniveau ist der Prozentsatz des durchschnittlichen Netto-Monatseinkommens (vor Steuern), den ein Ruheständler erhält, der 45 Jahre in die staatliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Im Jahr 2009 lag das Sicherungsniveau vor Steuern in Deutschland bei 52 % und sinkt seitdem, was den Gesetzgeber zur Einführung der Haltelinie im Sinne eines Sicherungsniveaus vor Steuern von 48 % bis zum Jahr 2025 veranlasst hat (vgl. weitergehend Komm. zu § 154). Dabei ist diese Haltelinie nach § 154 Abs. 3 allerdings aktuell ausdrücklich befristet bis 2025 (vgl. zum Geltungszeitraum auch Rz. 16).
Rz. 10
Nach § 255e – alte wie auch neue Fassung (ab 1.7.2022) – wird bis zum Ablauf des 1.7.2025 bei jeder Rentenanpassung auch die Einhaltung des Sicherungsniveaus vor Steuern (sog. Rentenniveau) von 48 % gemäß § 154 Abs. 3 Satz 1 geprüft. Das Sicherungsniveau vor Steuern bis zum Ablauf des Jahres 2025 von mindestens 48 % ist damit zwingender und unmittelbarer Bestandteil der Rentenanpassung, die durch die Niveauschutzklausel des § 154 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 255e sichergestellt ist (BT-Drs. 20/1680 S. 27 f. = BR-Drs. 170/22 S. 22).
2.2.1 Voraussetzung des Greifens der Schutzklausel
Rz. 11
Einzige Voraussetzung ist, dass sich nach der geltenden Anpassungsformel des § 68 ein aktueller Rentenwert ergibt, mit dem ein Sicherungsniveau vor Steuern von 48 % unterschritten wird. Aufgrund der Anhebung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI von 3,05 % auf 3,4 % durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) v. 19.6.2023 (BGBl. I Nr. 155) mit Wirkung zum 1.7.2023 wird bereits im Jahr 2024 mit dem Greifen der Haltelinie Steuern gerechnet (BT-Drs. 20/6869 S. 32).
2.2.2 Rechtsfolge bei Unterschreiten des Sicherungsniveau – Anpassungspflicht
Rz. 12
Wird das Sicherungsniveau von 48 % vor Steuern unterschritten, dann regelt § 255e i. V. m. § 154 Abs. 3 Satz 1 die Rechtsfolge. In diesem Fall besteht eine gesetzliche Anpassungspflicht. Der aktuelle Rentenwert ist dann so anzuheben, dass das Sicherungsniveau vor Steuern mindestens 48 % beträgt.
Rz. 13
In den Jahren, in denen die Niveauschutzklausel zur Anwendung gelangt, müssen daher die Renten stärker angepasst werden. Auf die Anhebung der Rente besteht ein Rechtsanspruch i. S. eines subjektiv einklagbaren Rechts. Dies gilt aber nur bis zur Anhebung exakt auf die Grenze von 48 %. Der Begriff "mindestens" erweitert daher den Rechtsanspruch nicht. Der Begriff ist lediglich dergestalt zu verstehen, dass das Sicherungsniveau von 48 % vor Steuern erreicht werden muss und nicht unterschritten werden darf. Der Begriff mindestens ist daher i. S. eines "nicht mehr, aber auch nicht weniger" oder eben eines "nicht weniger, aber auch nicht mehr" zu verstehen. Eine gesetzliche Verpflichtung der Erhöhung über das Schutzniveau von 48 % hinaus ergibt sich damit aus § 255e nicht. Diese Gesetzesauslegung findet letztlich in § 154 Abs. 3 seine Stütze, wonach nur die gesetzliche Anordnung besteht, dass das Sicherungsniveau vor Steuern nach § 154 Abs. 3a bis zum Jahr 2025 48 % nicht unterschreiten darf. Aus der Niveauschutzklausel fließt daher keine gesetzliche Verpflichtung, das Sicherungsniveau auf über 48 % vor Steuern anzuheben. Der Gesetzgeber hat hierzu ausdrücklich ausgeführt, dass als Grenze für das Sinken das beschriebene Sicherungsniveau vor Steuern von 48 % e...