Rz. 54
Nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht wurden Anrechnungszeiten generell von im selben Kalendermonat liegenden Beitragszeiten verdrängt. Erst seit dem Inkrafttreten des SGB VI zum 1.1.1992 können beitragsfreie Zeiten (Anrechnungszeiten, Zurechnungszeit, Ersatzzeiten) grundsätzlich auch neben etwaigen Beitragszeiten als rentenrechtliche Zeiten anerkannt werden.
Kalendermonate, die sowohl mit einer Beitragszeit als auch mit einer Anrechnungszeit, Ersatzzeit oder Zurechnungszeit belegt sind, werden gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1 grundsätzlich als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt. Für Kalendermonate mit beitragsgeminderten Zeiten werden bei der Rentenberechnung zunächst gemäß § 70, § 256, § 256a Entgeltpunkte für Beitragszeiten ermittelt, die gemäß § 71 Abs. 2 ggf. um einen Zuschlag an Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten zu erhöhen sind. Dadurch soll erreicht werden, dass Kalendermonate mit beitragsgeminderten Zeiten mindestens die Summe an Entgeltpunkten erhalten, die sie als beitragsfreie Zeiten erhalten hätte (vgl. auch Komm. zu § 71 Abs. 2).
Abweichend von § 54 Abs. 3 Satz 1 war in Abs. 1 Satz 3 (i. d. F. des RRG 1992 v. 18.12.1989, BGBl. I S. 2261; mit Wirkung zum 1.7.2020 ist dieser Ausschlussgrund in Abs. 1 Satz 2 geregelt; vgl. 7. SGB IV-ÄndG v. 12.6.2020, BGBl. I S. 1248) geregelt, dass die Anerkennung von Anrechnungszeiten mit Wirkung zum 1.1.1992 grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn wegen des Bezuges von Sozialleistungen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden hat. Lediglich in den Fällen des § 252 Abs. 2, der für die Zeit vom 1.1.1984 bis zum 31.12.1997 lex spezialis anzuwenden ist, konnten neben Pflichtbeitragszeiten aufgrund eines Sozialleistungsbezuges (§ 247 Abs. 1, § 3 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 55 Abs. 1 Satz 1) auch Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit, medizinischer Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben oder Arbeitslosigkeit (§ 252 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2) anerkannt werden, so dass insoweit beitragsgeminderte Zeiten i. S. v. § 54 Abs. 3 Satz 1 zu berücksichtigen sind.
Durch das AVmEG v. 21.3.2001 (BGBl. I S. 403) gilt der Ausschlussgrund des Abs. 1 Satz 2 (i. d. F. ab 1.7.2020) mit Wirkung zum 1.1.2002 generell nur noch für Zeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres eines Versicherten. Auch nach dem Inkrafttreten des AVmEG ist die Übergangsregelung des § 252 Abs. 2 für Zeiten vom 1.1.1984 bis zum 31.12.1997 weiterhin uneingeschränkt anzuwenden.
Durch das EM-Leistungsverbesserungsgesetz v. 17.7.2017 (BGBl. I S. 2509) wurde Abs. 1 Satz 2 i. d. F. ab 1.7.2020 (damals Abs. 1 Satz 3) mit Wirkung zum 22.7.2017 insoweit konkretisiert als sich diese Ausschlussregelung nur auf Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bezieht.
2.2.1 Regelungen zur Versicherungspflicht von Sozialleistungsbeziehern bei Arbeitsunfähigkeit, Rehabilitation oder Teilhabe am Arbeitsleben
Rz. 55
Die Versicherungspflicht von Sozialleistungsbeziehern wurde erstmalig durch das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation v. 7.8.1974 (BGBl. I S. 1881) mit Wirkung zum 1.10.1974 für Arbeitsunfähige sowie Empfänger von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben eingeführt (§ 1227 Abs. 1 Nr. 8a Buchst. a bis c RVO, § 2 Nr. 10a Buchst. a bis c AVG, § 29 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a bis c RKG). Diese Regelungen galten bis zum 31.12.1983. Soweit nach den vorgenannten Vorschriften wegen des Bezuges von Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld Versicherungspflicht bestanden hat, sind diese Zeiten gemäß § 247 Abs. 2 als Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung anzuerkennen (vgl. auch Komm. zu § 247 Abs. 2).
Die vorgenannten Regelungen zur Versicherungspflicht von arbeitsunfähigen Versicherten und Rehabilitanden wurden mit Wirkung zum 1.1.1984 durch eine Beitragspflicht ersetzt (Haushaltsbegleitgesetz 1984 v. 22.12.1983, BGBl. I S. 1532). Dies hatte zur Folge, dass für diese Sozialleistungsbezieher in der Zeit vom 1.1.1984 bis zum 31.12.1991 lediglich Beiträge für Anrechnungszeiten zu zahlen waren (§ 1385b RVO, § 112b AVG, § 130b RKG). Soweit sowohl der Versicherte als auch ein Sozialleistungsträger die Beiträge auf der Grundlage der vorgenannten Regelungen zu tragen hatten, sind dem Versicherten auch für diese Zeiten gemäß § 247 Abs. 1 Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen (vgl. Komm. zu § 247 Abs. 1).
Seit dem Inkrafttreten des SGB VI mit Wirkung zum 1.1.1992 (RRG 1992 v. 18.12.1989, BGBl. I S. 2261) sind Bezieher von Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld sowie Übergangsgeld bei Vorliegen der in § 3 Satz 1 Nr. 3 genannten Voraussetzungen wieder versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Soweit die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes gemäß § 3 Satz 1 Nr. 3 im Einzelfall nicht vorliegen, ist gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 eine Antragspflichtversicherung zulässig.
Nach Abs. 1 Satz 2 (i. d. F. ab 1.7.2020) ist die Anerkennung von Anrechnungszeiten i. S. v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Krankengeld, Versorgungs...