Rz. 26
Die Regelung in Abs. 1a, die durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit v. 20.12.1999 eingefügt und durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt um Satz 2 erweitert worden ist, hat für den Kreis der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen (§ 2 Satz 1 Nr. 9) zwei zusätzliche Befreiungstatbestände geschaffen. Ziel der Befreiungstatbestände ist es, sog. Existenzgründern die Möglichkeit zu geben, befristet der Versicherungspflicht entgehen zu können (Abs. 1a Satz 1 Nr. 1). Gleiches gilt für ältere arbeitnehmerähnliche Selbstständige, die kurze Zeit vor der Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit stehen (Abs. 1a Satz 1 Nr. 2). Als Übergangsvorschrift ist § 231 Abs. 5 zu beachten.
2.5.1 Befreiung in der Existenzgründungsphase (Abs. 1a Satz 1 Nr. 1)
Rz. 27
Satz 1 Nr. 1 ermöglicht eine vorübergehende Befreiung in der Existenzgründungsphase. Die Regelung beschränkt sich ausdrücklich auf die Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind. Eine Befreiung für die selbstständige Tätigkeit ist daher dort ausgeschlossen, wo vorrangig andere Regelungen als § 2 Satz 1 Nr. 9 zur Rentenversicherungspflicht führen (BSG, Urteil v. 23.11.2005, B 12 RA 9/04 R). Die Regelung berücksichtigt, dass viele Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden, noch während der Existenzgründungsphase aus der Versicherungspflicht herauswachsen – sei es, dass sie alsbald in entsprechendem Umfang Mitarbeiter beschäftigen oder sei es, dass sie nicht mehr auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Die Vorschrift verfolgt das Ziel und trägt im Übrigen den Besonderheiten in der Existenzgründungsphase Rechnung, indem sie ermöglicht, die finanziellen Mittel auf den Aufbau des Betriebes zu konzentrieren (Konzentrationsmaxime). Die Betroffenen sollen daher das Recht haben, sich zeitlich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Die in dem Befreiungsrecht angelegte Wahlmöglichkeit gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, seine Entscheidung nach individueller Einschätzung der Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit und unter Berücksichtigung etwaiger in der Rentenversicherung erworbener Rechtspositionen (z. B. in Bezug auf den Schutz bei teilweiser oder voller Erwerbsminderung) zu treffen (BT-Drs. 14/1855 S. 16). Der Beginn des 3-Jahres-Zeitraums richtet sich nach der erstmaligen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit und damit nach der erstmaligen Erfüllung der Merkmale nach § 2 Satz 1 Nr. 9, in deren Zusammenhang regelmäßig kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt und die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber erbracht wird (BSG, Urteil v. 22.3.2018, B 5 RE 1/17 R; zur erstmaligen Existenzgründung vgl. auch GRA der DRV zu § 6 SGB VI, Stand: 8.5.2023, Anm. 6.1.4.1). Wenn eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen wurde, für die später eine Eintragung in der Handwerksrolle erfolgt, kommt es nicht auf die Eintragung in der Handwerksrolle an, sondern allein auf den Beginn – also die Aufnahme – der selbstständigen Tätigkeit. Für den Beginn des Zeitraumes von 3 Jahren ist es auch unerheblich, ob die selbstständige Tätigkeit zunächst nur in geringem Umfang ausgeübt wurde oder nicht zur Versicherungspflicht als Handwerker führte (BSG, Urteil v. 10.12.1998, B 12 RJ 2/98 R).
2.5.2 Befreiung nach Vollendung des 58. Lebensjahres (Abs. 1a Satz 1 Nr. 2)
Rz. 28
Satz 1 Nr. 2 ermöglicht auch für solche Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, eine Befreiung von der Versicherungspflicht, wenn sie nach einer zuvor ausgeübten selbständigen Tätigkeit erstmals nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig werden und das 58. Lebensjahr vollendet haben.
2.5.3 Sonderregelungen (Satz 2 und Satz 3)
Rz. 29
Nach Abs. 1a Satz 2 gilt Satz 1 Nr. 1 entsprechend für die Aufnahme einer zweiten selbstständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt (§ 6 SGB VI i. d. F. v. 5.12.2012). Für die zweite Existenzgründung kann daher der 3-jährige Befreiungszeitraum erneut in Anspruch genommen werden. Eine zweite Existenzgründung liegt nicht vor, wenn eine bestehende selbstständige Existenz lediglich umbenannt oder deren Geschäftszweck gegenüber der vorangegangenen nicht wesentlich verändert worden ist; das stellt insoweit Abs. 1a Satz 4 klar. Das Befreiungsrecht steht auch Personen zu, die sich vor dem 1.1.1999 selbstständig gemacht haben, soweit der 3-Jahres-Zeitraum nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht überschritten ist (BT-Drs. 14/1855 S. 16).
Abs. 1a Satz 3 a. F. ist durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.6.2020 (BGBl. I 2020 S. 1248) zum 30.06.2020 aufgehoben worden; hierbei handelt es sich um eine schon seit längerem überfällige redaktionelle Bereinigung (vgl. auch BR-Drs. 2/20 S. 106; BT-Drs. 19/17586 S. 94).
2.5.4 Befreiung in der Phase des altersbedingten Überganges (Abs. 1a Satz 1 Nr. 2)
Rz. 30
Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 ermöglicht eine Befreiung in der Phase des altersbedingten Überganges aus einer selbstständigen Tätigkeit in die Nichterwerbstätigkeit. Danach können Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht nach Vollendung des 58. Lebensjahres befreit werden, wenn sie ...