Rz. 19
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Aussetzung der jährlichen Rentenanpassung zum 1.7. – sog. Nullrunden. Solange Rentenbezieher durch die Rentenanpassung nicht von der realen Lohn- und Gehaltsentwicklung der Beschäftigten abgekoppelt werden oder die bereits zugestandene Rente in ihrer Substanz entwertet wird, ist eine Verfassungswidrigkeit einer Rentenanpassung nicht festzustellen (instruktiv: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.4.2021, L 9 R 1792/17). Schon die Anpassung nur um den Inflationsausgleich zum 1.7.2000 wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (Nichtannahmebeschluss v. 26.7.2007, 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07), da sie dem gewichtigen öffentlichen Interesse gedient hat, einem Finanzierungsdefizit in der gesetzlichen Rentenversicherung entgegenzuwirken. Das Bundesverfassungsgericht hat des Weiteren entschieden, dass auch das "vollständige" Ausbleiben einer Rentenerhöhung nicht gegen das Grundgesetz verstößt (so für die Nullrunde im Jahre 2004 vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.7.2007, 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07; und für die Nullrunde im Jahr 2005 vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 3.6.2014, 1 BvR 79/09, 1 BvR 1235/09, 1 BvR 1298/09, 1 BvR 1701/09, 1 BvR 3148/10). Nullrunden stellen daher keine rechtswidrigen Eingriffe in die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG dar. Auch das Bundessozialgericht hat geurteilt, dass eine Aussetzung der Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung (hier für das Jahr 2004) verfassungsgemäß ist (BSG, Urteil v. 27.3.2007, B 13 R 37/06 R; hier ging es um die schrittweise Berücksichtigung des Altersvorsorgeanteils; § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 und § 255e Abs. 1 bis Abs. 3; für 2004 so auch BSG, Urteil v. 27.3.2007, B 13 R 37/06 R; BSG, Urteile v. 20.12. 2007, B 4 RA 51/05 R, B 4 RA 32/05 R, und B 4 RA 9/05 R unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil v. 26.7.2007, 1 BvR 824/03 u. a.), weil und soweit die Aussetzung dem bedeutsamen öffentlichen Interesse an der Sicherung der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung dient. Auch für das Jahr 2005 hat das BSG bei der Aussetzung der Rentenanpassung keinen Verstoß gegen das Grundgesetz gesehen (vgl. BSG, Urteil v. 13.11.2008, B 13 R 13/08 R; BSG, Urteil v. 21.1.2009, B 12 R 1/07 R). Auch eine ungleiche Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung und in den Versorgungsbezügen von Ruhestandsbeamten ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere gebietet der allgemeine Gleichheitssatz es nicht, die Anpassung der Versorgungsbezüge der Ruhestandsbeamten und die Anpassung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung in gleicher Weise, insbesondere in derselben Höhe, vorzunehmen (BSG, Urteil v. 20.12.2007, B 4 RA 48/05 R).
Rz. 19a
Im Übrigen stellt erst recht der Rentenanpassungszeitpunkt zum jeweils 1.7. eines Jahres keinen verfassungswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht nach Art. 14 GG dar. Der Erhöhungszeitpunkt erfolgt in zulässiger Weise mit 6-monatiger Verspätung, gemessen an den Jahresdurchschnittsverdiensten vom 1.1. bis zum 31.12. des Vorjahres, die der Rentenanpassung zugrunde liegen. Dies stellt jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht dar, da hierfür ein sachlicher Grund aufgrund der benötigten Zeit bei der Erhebung der statistischen Daten gegeben ist (vgl.: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.2.2022, L 14 R 659/20). Die Vorgabe des § 69 Abs. 1, wonach der aktuelle Rentenwert durch Verordnung bis zum 30.6. des jeweiligen Jahres zu bestimmen ist und anschließend die Renten gemäß § 65 zum 1.7. eines jeden Jahres angepasst werden, ergibt sich zwingend aus verfahrenstechnischen Gründen. Ein etwaiger Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Eigentums nach Art. 14 GG ist daher gerechtfertigt.
Mit Wirkung zum 1.1.2012 wurde durch Art. 4 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 3057) u. a. in Abs. 1 Satz 1 des § 69 SGB VI (Verordnungsermächtigung) die Worte "bis zum 30.6. des jeweiligen Jahres" eingefügt und Satz 2 gestrichen. Der gestrichene Satz 2 lautete bis dahin "Die Bestimmung (Anm.: des maßgebenden aktuellen Rentenwerts) soll bis zum 31. März des jeweiligen Jahres erfolgen."
Mit der gesetzlichen Änderung hat der Gesetzgeber für die Fortschreibung des aktuellen Rentenwerts und des Ausgleichsbetrags den Erlasszeitpunkt vom 31.3. des jeweiligen Jahres auf den 30.6. eines Jahres verlegt und damit dem Umstand Rechnung getragen, dass das Statistische Bundesamt und die Deutsche Rentenversicherung Bund die hierfür notwendigen Daten immer erst frühestens im März des jeweiligen Jahres vorlegen und der Gesetzgeber daher der ursprünglichen Anforderung, die entsprechende Verordnung bereits zum 31.3. des jeweiligen Jahres vorzulegen, daher nicht genügen konnte (BT-Drs. 17/6764 S. 21). Die Vorbereitungen indes erfolgen dann bereits ab März, um dem berechtigten Interesse der Rentner, frühzeitig ihre Rentenanpassungsmitteilung z...