2.1 Rentenartfaktor im Überblick
Rz. 9
Der Rentenartfaktor i. S. d. § 67 richtet sich nach der jeweiligen Rentenart. Er ist ein gesetzlich festgelegter Faktor für die Rentenberechnung in Abhängigkeit von der bezogenen Rente und bestimmt das Sicherungsziel der Rentenart im Verhältnis zu einer Altersrente. Der Rentenartfaktor berücksichtigt, dass die einzelnen Rentenarten von unterschiedlichen Sicherungszielen geprägt sind, und ermöglicht, diesen Unterschieden bei der Festlegung der Rentenhöhe Rechnung zu tragen. Übersichtsvorschrift hierfür ist § 33 – Rentenarten –, der in seinem Abs. 1 bestimmt, welche Renten geleistet werden; nämlich Renten wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen Todes. § 33 listet in seinem Abs. 2 die Renten wegen Alters, in Abs. 3 die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und in Abs. 4 die Renten wegen Todes auf.
Rz. 10
Der Gesetzgeber hat je nach Sicherungsziel den Rentenarten folgenden Faktor zugewiesen
- Faktor 1,0 – Renten wegen Alters, Renten wegen voller Erwerbsminderung, Erziehungsrenten und kleine und große Witwenrenten in den ersten 3 Monaten – Renten mit voller Lohnersatzfunktion
- Faktor 0,5 – Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung – Rente mit monatlicher Zuschussfunktion
- Faktor 0,1 – Halbwaisenrenten – Rente mit Unterhaltsersatzfunktion
- Faktor 0,2 – Vollwaisenrenten – Rente mit Unterhaltsersatzfunktion
- Faktor 0,25 – kleine Witwenrenten nach Ablauf von 3 Monaten – Rente mit Unterhaltsersatzfunktion
- Faktor 0,55 – große Witwenrenten nach Ablauf von 3 Monaten – Rente mit Unterhaltsersatzfunktion
2.2 Verfassungsrechtliche Aspekte
Rz. 11
Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass Renten mit voller Lohnersatz- und Zuschussfunktion aus dem eigenen Versicherungskonto des Versicherten gespeist werden, wohingegen sich Renten mit Unterhaltsersatzfunktion aus dem Versicherungskonto des verstorbenen Versicherten errechnen (vgl. insoweit auch § 66 Abs. 2). Da Hinterbliebenenrenten daher lediglich Unterhaltsersatzfunktion haben (vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.2.1998, 1 BvR 1318/86; Beschluss v. 18.2.1998, 1 BvR 1484/86 m. w. N.), gilt der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz nach Art. 14 GG für solche Renten nicht (BVerfG, Urteil v. 28.2.1980, 1 BvL 17/77, 1 BvL 7/78, 1 BvL 9/78, 1 BvL 14/78, 1 BvL 15/78, 1 BvL 16/78, 1 BvL 37/78, 1 BvL 64/78, 1 BvL 74/78, 1 BvL 78/78, 1 BvL 100/78, 1 BvL 5/79, 1 BvL 16/79, 1 BvR 807/78); vgl. insoweit weitergehend auch die Komm. zu § 66, hier Abs. 2.
2.3 Bezüge zum Fremdrentenrecht – § 22b Abs. 1 Satz 3 FRG
Rz. 12
§ 22b Abs. 1 Satz 3 FRG ordnet an, dass bei der Anwendung von § 22b Abs. 1 Satz 1 Entgeltpunkte aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen sind; die Vorschrift regelt damit die Lastenverteilung unter mehreren Rentenversicherungsträgern. Der Rentenartfaktor einer Rente wegen Alters ist regelmäßig höher als derjenige einer (dauerhaften) Rente wegen Todes; das ergibt sich gerade aus §§ 67, 82. Eine gewährte Witwenrente kann daher hinsichtlich des Rechts auf Witwenrente nach § 48 Abs. 1 SGB X neu festgestellt werden, wenn sie durch den späteren Eintritt einer wesentlichen Änderung rechtswidrig geworden ist. Das ist u. a. dann der Fall, wenn der Witwe bestandskräftig eine Altersrente aus eigenem Recht unter Berücksichtigung von FRG-Zeiten bewilligt worden ist. Die dadurch bewirkte Rentenkürzung verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Allein nach dem FRG begründete Rentenanwartschaften oder -ansprüche fallen auch nicht unter den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie ausschließlich auf Beitrags- und Beschäftigungszeiten außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD beruhen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.7.2012, L 18 KN 305/10, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss v. 21.7.2010, 1 BvL 11/06). Die Inhaberin einer Witwenrente ist daher lediglich Inhaberin eines "leeren Rechts" auf Witwenrente und bleibt auf den Wert ihrer eigenen Rente und die hieraus monatlich erwachsenden Einzelansprüche beschränkt (BSG, Urteile v. 25.1.2011, B 5 R 46/10 R, B 5 R 47/10 R, Rz. 11 und Rz. 13; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.10.2016, L 3 R 261/13, Rz. 26).
2.4 Rentenartfaktor bei Versichertenrenten
2.4.1 Altersrente, Rente wegen voller Erwerbsminderung (einschließlich Arbeitsmarktrente) und Erziehungsrenten – volle Lohnersatzfunktion
Rz. 13
Der Rentenartfaktor beträgt bei Altersrenten und Renten wegen voller Erwerbsminderung 1,0. Renten wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2) sichern wie die Altersrenten den vollen Erwerbsausfall. Sie dienen nicht dem Schadensausgleich und gleichen nicht aufgehobenes Leistungsvermögen, sondern allein gesundheitlich bedingte Lohneinbußen aus. Dies gilt auch für die sog. Arbeitsmarktrente. Voll erwerbsgemindert ist insoweit auch, wer (nur) teilweise erwerbsgemindert ist, wenn ihm ein Teilzeitarbeitsplatz aber nicht zur Verfügung steht und vom Rentenversicherungsträger auch nicht angeboten werden kann (BSG, Beschluss des Großen Senats v. 10.12.1976, GS 2/75 u. a.).
Altersrente ab Juli 2019 aus 45 persönlichen Entgeltpunkten:
45,0000 × 1,0 (Faktor) × 32,03 EUR (aktueller Rentenwert (West) 2019; vgl. § 68) = 1.441,35 EUR monatlich.
Rz. 14
Bei Erziehungsrenten nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten bzw. des früheren Lebenspartners (vgl. § 47), die sich aus der e...