2.1 Erste Vergleichsbewertung (Satz 1 HS 1)
2.1.1 Bedeutung der Vergleichsbewertung
Rz. 7
Die zentrale Funktion der Vergleichsbewertung liegt in der besonderen Berücksichtigung und Bewertung der beitragsgeminderten Zeiten. Durch die Vergleichsbewertung ist sichergestellt, dass Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfrei sind, weil für sie gleichzeitig Beiträge gezahlt worden sind, nicht zu einem schlechteren Gesamtleistungswert führen als ohne diese Beitragsleistung (GRA der DRV zu § 73 SGB VI, Stand: 16.2.2016, Anm. 1). Beitragsgeminderte Zeiten sind aufgrund des verbrieften Eigentumsrechts nach Art. 14 GG wenigstens so zu bewerten wie beitragsfreie Zeiten (vgl. Vorlagebeschluss des BSG v. 16.12.1999, B 4 RA 11/99 R; vgl. auch Fichte, in: Hauck/Noftz, SGB VI, 06/2008, § 54 Rz. 10); deshalb sieht § 71 Abs. 2 für beitragsgeminderte Zeiten einen Zuschlag vor, wenn mit dieser Zeit nicht mindestens der Wert der beitragsfreien Zeit erreicht wird. Der Zuschlag an Entgeltpunkten ergibt sich letztlich daher aus der Differenz an Entgeltpunkten aus der Grund- und der Vergleichsbewertung und den originär nach § 70 ermittelten Entgeltpunkten, die den jeweiligen beitragsgeminderten Zeiten als Beitragszeiten zukommen. Damit stellt die Vergleichsbewertung letztlich sicher, dass der Versicherte, der bestimmte Kalendermonate im Versicherungsverlauf mit beitragsgeminderten Zeiten belegt und damit zumindest in dem einschlägigen Kalendermonat auch Beiträge gezahlt hat, nicht schlechter steht, als hätte er den Kalendermonat ausschließlich mit beitragsfreier Zeit belegt. Die Vergleichsbewertung stellt daher das der beitragsgeminderten Zeit innewohnende verbriefte Eigentumsrecht nach Art. 14 GG sicher. Deshalb ist neben der Grundbewertung eine Vergleichsbewertung aus ausschließlich vollwertigen Beiträgen vorzunehmen (vgl. zur Funktion der Vergleichsbewertung auch BT-Drs. 11/4124 S. 171).
2.1.2 Die zwei Vergleichsbewertungen des § 73 im Überblick
Rz. 8
§ 73 enthält Regelungen letztlich über zwei Vergleichsbewertungen. Die erste (allgemeine) Vergleichsbewertung fließt aus § 74 Satz 1 HS 1 und betrifft die beitragsgeminderten Zeiten. Die zweite (spezifische) Vergleichsbewertung fließt aus § 74 Satz 1 HS 2 und kommt bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zur Anwendung.
Rz. 9
Die (erste) Vergleichsbewertung ist dabei zwingend durchzuführen, wenn im Versicherungsverlauf des Versicherten beitragsfreie Zeiten und beitragsgeminderte Zeiten gespeichert sind (das entspricht der Praxis der DRV; vgl. GRA der DRV zu § 73 SGB VI, Stand: 16.2.2016, Anm. 2). Weiter ist diese (erste) Vergleichsbewertung auch dann zwingend, wenn bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Entgeltpunkte für die letzten 4 Jahre bis zum Eintritt des Leistungsfalls unberücksichtigt bleiben (§ 73 Satz 1 HS 2), weil diese (zweite) Vergleichsbewertung nach dem Wortlaut "... außerdem ..." zwingend auf einer ersten Vergleichsbewertung aufzubauen hat. Diese (zweite) Vergleichsbewertung bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist ebenfalls obligatorisch (zutreffend GRA der DRV zu § 73 SGB VI, Stand: 16.2.2016, Anm. 3).
2.1.3 Berechnungsgrundsatz
Rz. 10
Bei der Vergleichsbewertung werden für jeden Kalendermonat Entgeltpunkte in der Höhe zugrunde gelegt, die sich aus Summe der Entgeltpunkte aus der Grundbewertung ohne die in Satz 1 Nr. 1 bis 3 ausdrücklich benannten Zeiten ergibt. Im Gegensatz zur Grundbewertung bleiben daher gerade die beitragsgeminderten Zeiten bei der Vergleichsbewertung nach § 73 Satz 1 Nr. 1 bei dieser Summe außer Betracht. Die Vergleichsbewertung erfolgt daher ausschließlich aus vollwertigen Beitragszeiten (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 54 Abs. 2). Die unter Abzug der nicht zu berücksichtigten Entgeltpunkte verbleibenden Entgeltpunkte sind durch die verminderten belegungsfähigen Monate zu teilen. Der sich daraus ergebende Wert ergibt den Wert für den monatlichen Entgeltpunkt aus der Vergleichsbewertung.
2.1.4 Vollwertige Beitragszeiten und Berücksichtigungszeiten
Rz. 11
Bei der Vergleichsbewertung werden aufgrund der Ausnahmereglungen in den Nr. 1 bis 3 daher ausschließlich vollwertige Beitragszeiten und reine Berücksichtigungszeiten zugrunde gelegt.
Rz. 12
Der Begriff der vollwertigen Beitragszeiten wird durch § 54 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 definiert. Danach sind solche Zeiten mit vollwertigen Beiträgen Kalendermonate, die mit Beiträgen belegt und nicht beitragsgeminderte Zeiten sind. § 55 konkretisiert dabei den Begriff der Beitragszeiten; vollwertige Beitragszeiten sind insbesondere solche Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge tatsächlich gezahlt worden sind.
Rz. 13
Darüber sind auch die Zeiten vollwertige Beitragszeiten, für die der Gesetzgeber eine Fiktion der vollwertigen Beitragszeit vorsieht; eine solche Fiktion sieht der Gesetzgeber vor für Zeiten einer beruflichen Ausbildung; dies ordnet § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 2 ausdrücklich für die Gesamtleistungsbewertung an. § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 2 stellt insoweit eine für die Gesamtleistungsbewertung gültige bereichsspezifische Ausnahmeregelung zu § 54 Abs. 3 Satz 2 dar, der ansonsten für die Zeiten der beruflichen Ausbildung anordnet, dass diese...