2.1 Überblick
Rz. 2
Abs. 1 bestimmt, dass auf die wiederaufgelebte Witwen-/Witwerrente ("nach dem vorletzten Ehegatten") Ansprüche auf Hinterbliebenenrente, auf Versorgung und auf Unterhalt sowie auf sonstige Renten (sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur), die ihren Grund in der aufgelösten 2. Ehe ("nach dem letzten Ehegatten") haben, angerechnet werden. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass der Anspruch auf die wiederaufgelebte Rente nachrangigen Charakter besitzt und nur insoweit neu entstehen soll, als sich nach Auflösung der letzten Ehe nunmehr eine Versorgungslücke für den überlebenden Ehegatten ergibt. Die Anrechnung erfolgt dabei gemäß Abs. 1 HS 2 vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung (§ 97 i.V.m. §§ 18a bis 18e SGB IV). Ohne diese Regelung würde die auf die Renten nach § 46 Abs. 3 und § 243 Abs. 4 vorzunehmende Einkommensanrechnung wieder aufgehoben. Unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen wird mit einem Teil einer gezahlten Rentenabfindung gegen den Anspruch auf wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente aufgerechnet.
2.2 Anrechnung bestimmter Ansprüche aus der letzten Ehe auf die Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten (Abs. 1)
2.2.1 Witwen-/Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten
Rz. 3
Die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf wiederaufgelebte Witwen-/Witwerrente besteht, sind in § 46 Abs. 3 geregelt. Ferner kann sich ein solcher Anspruch auf wiederaufgelebte (Geschiedenen-)Witwenrente aus § 243 Abs. 4 ergeben. Wegen der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen wird auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften verwiesen.
2.2.2 Ansprüche nach dem letzten Ehegatten
Rz. 4
§ 90 setzt voraus, dass die letzte Ehe aufgelöst, d.h. durch Tod, Scheidung oder Aufhebung nach den §§ 1313 ff. BGB beendet worden ist (vgl. Hauck/Haines, SGB VI Kommentar, § 90 Rz. 3). Die auf die wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente anzurechnenden Ansprüche müssen ihren Rechtsgrund ("ihre Wurzel") in persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen des 2. Ehepartners wie etwa – wenn Ansprüche nach seinem Tode angerechnet werden – in seinen früheren Beitragsleistungen oder seiner früheren beruflichen Tätigkeit haben. Hingegen dürfen Ansprüche, die auf eigenen Geldleistungen der Witwe/des Witwers beruhen, selbst dann nicht angerechnet werden, wenn sie aus Anlass des Todes des 2. Ehepartners entstehen oder fällig werden (vgl. BSGE 39 S. 101, 103 = SozR 2200 § 1291 Nr. 3 S. 11).
Nicht erforderlich ist, dass die Ansprüche erst infolge der Auflösung der Ehe entstanden sind oder der neue Versorgungsanspruch, Unterhaltsanspruch oder Rentenanspruch seine Rechtsgrundlage im Recht der Bundesrepublik Deutschland hat. So ist z.B. die einer Witwe aus der britischen Rentenversicherung gewährte Rente ("widows retirement pension") auf die wiederaufgelebte Witwenrente anzurechnen; unerheblich ist, dass die Witwe auch bereits vor dem Tod des 2. Ehemannes eine britische Rente ("retirement pension") bezogen hat, die aber ausschließlich auf der Beitragsleistung des letzten Ehemannes beruhte (vgl. SG Köln, S 5 An 158/93; LSG NRW, L 8 RA 9/97). Der anzurechnende Anspruch muss dazu bestimmt und geeignet sein, den Unterhalt des überlebenden Ehegatten zu sichern BSG, (Urteil v. 7.12.1989, 4 RA 57/88, SozR 2200 § 1291 Nr. 34 = FamRZ 1990 S. 734).
Mit den Begriffen "Versorgungsanspruch, Unterhaltsanspruch oder Rentenanspruch" wollte der Gesetzgeber die anzurechnenden Ansprüche nicht auf nur eng begrenzte und voneinander deutlich zu unterscheidende Ansprüche des Familienrechts, Rentenversicherungsrechts oder Versorgungsrechts beschränken. Dem Gesetzgeber lag bei der Verwendung dieser Begriffe vielmehr jede Bindung an eine systematische Gliederung und Reihenfolge fern. Allein entscheidend ist die wirtschaftliche Funktion des Anspruchs (BSGE 38 S. 183, 184 = SozR 2200 § 1291 Nr. 2 S. 6), die dazu bestimmt und geeignet sein muss, den Lebensunterhalt des Ehegatten nach Auflösung der Ehe sicherzustellen oder zu erleichtern (BSG, SozR 2200 § 1291 RVO Nr. 23). Unerheblich ist, ob der Anspruch öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist (BSG, SozR 2200 § 1291 Nr. 1), auf inländischem oder ausländischem Recht beruht (BSG, SozR 2200 § 1291 Nr. 20) oder ob er sich aus Gesetz oder Vertrag herleitet.
Nicht nur wiederkehrende, auch einmalige Leistungen wie die Auszahlung der Kapitalsumme einer Lebensversicherung werden angerechnet (vgl. BSG, SozR 2200 § 1291 Nr. 1 und 2). Bei Auszahlung der Kapitalsumme ist der Betrag anzurechnen, der sich bei einer Verrentung des gezahlten Betrags ergeben würde (vgl. BSG, SozR 2200 § 1291 Nr. 1; BSGE 38 S. 183 = SozR 2200 § 1291 Nr. 2). Dabei ist neben dem (konkreten) Kapitalwert die Lebensdauer des Leistungsberechtigten (nach der allgemeinen deutschen Sterbetafel) und die Höhe des Rechnungszinses von Bedeutung (BSG, SozR 2200 § 1291 Nr. 34). Auch kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen durchsetzbaren Anspruch oder nur eine Ermessensleistung des in Anspruch genommenen Leistungsträgers handelt, solange nur die Leistung tatsächlich erbracht wird. Andererseits muss der Anspruch aber realisierbar sein. Nur wenn dargelegt werden kann, dass z.B. der Unterhaltsanspruch gegen den letzten Ehega...