Rz. 17
Nach dem Wortlaut des § 116 Abs. 1 ist im Weiteren eine sachliche und zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Versicherten einerseits und den Leistungen des Versicherungsträgers andererseits zur Bewirkung des Forderungsübergangs erforderlich. Das setzt notwendigerweise zunächst einen konkreten Schaden voraus. Zum Schaden gehören alle die eine Person betreffenden Nachteile, die durch die Folgen der Verletzung, Erkrankung oder des Todes entstanden sind. Demnach z. B. die Behandlungs- und Rehabilitationskosten, der Verdienstausfall sowie der Verlust von Unterhaltsansprüchen. Durch diesen konkreten Schaden muss es dann zu einer Leistung des Versicherungs- und/oder Sozialhilfeträgers gekommen sein, die in sachlicher und zeitlicher Hinsicht mit dem eingetretenen Schaden übereinstimmt (sog. Kongruenz).
Die Rechtsprechung hat schon früh den Grundsatz aufgestellt, dass Schadensersatzansprüche "aus anderen gesetzlichen Vorschriften" nur insoweit übergehen, als der Versicherungsträger einen entsprechenden Schaden des Geschädigten zu decken hat. Deshalb verbietet sich eine Gegenüberstellung der gesamten Versicherungsleistungen und der gesamten Schadensersatzansprüche und nur die einzelnen Versicherungsleistungen dürfen den ihnen entsprechenden Schadensersatzansprüchen – und auch nur für den gleichen Zeitraum – gegenübergestellt werden (RG, JW 1937 S. 2367; BGH, Urteil v. 13.3.1973, VI ZR 129/71). Sozialleistungen und Schadensersatzansprüche müssen in zeitlicher und sachlicher Hinsicht deckungsgleich sein. Reichen z. B. in einem Zeitabschnitt die Ansprüche des Verletzten gegen den Schädiger nicht aus, um den Leistungsträger voll zu befriedigen, so kann dieser nicht etwa wegen des ihm entstandenen Ausfalls auf andere Zeitabschnitte (z. B. wegen der Deckung des Krankengelds auf die Zeit einer Krankenhausbehandlung) zurückgreifen. Der Leistungsträger muss es sich vielmehr gefallen lassen, wenn mit Rücksicht auf den Grundsatz der zeitlichen Übereinstimmung seine Leistungen und die entsprechenden übergegangenen Ersatzansprüche im Ergebnis in zwei oder mehrere durch die verschiedene Schadenslage beim Versicherten getrennte Abschnitte aufgeteilt werden (BGH, a. a. O.; OLG München, Urteil v. 24.6.1966, 10 U 836/66). Mit dem Hauptanspruch gehen auch Nebenansprüche auf den Sozialversicherungsträger über. Dies hat insbesondere Bedeutung bei der Verletzung von Rechten aus Behandlungs- und Heimverträgen, da diese ohne das Recht auf Einsichtnahme in die Behandlungs- und Pflegeunterlagen nicht durchsetzbar sind (BGH, Urteil v. 26.2.2013, VI ZR 359/11).
Das durch den Deckungsgrundsatz hervorgerufene Ergebnis einer Zerlegung des Schadensersatzanspruchs, z. B. in Verdienstausfall, Heilungskosten und Aufwendungen für vermehrte Bedürfnisse, bereitet den Leistungsträgern i. d. R. allerdings keine größeren Schwierigkeiten, weil ihnen die Möglichkeit eines pauschalen Ausgleichs gemäß § 116 Abs. 9 eine wesentliche Erleichterung bei der Abwicklung der Ansprüche verschafft.
2.5.1 Sachliche Kongruenz
Rz. 18
Eine sachliche Übereinstimmung (Kongruenz) besteht, wenn die Leistung des Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgers denselben Zwecken dient wie der vom Schadensersatzpflichtigen zu leistende Schadensersatz. Der Sozialleistung muss also ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegenüberstehen. Dabei ist zu unterscheiden nach den Ansprüchen des Geschädigten auf Sachschäden, Schmerzensgeld, Heilungskosten, Erwerbsschäden und vermehrte Bedürfnisse. Daneben ist es weiterhin erforderlich, dass Identität zwischen dem Schadensberechtigten und dem Empfänger der Sozialleistung besteht. Nur in Ausnahmefällen ist auch ein sog. Drittschaden anzuerkennen (z. B. Fahrtkosten des Vaters infolge von Besuchen bei dem verletzten Kind; Schulung von Angehörigen; vgl. dazu Kater, in: KassKomm. SGB X, 101. EL 2018, § 116 Rz. 98 m. w. N.). Eine Ausnahme von diesem Identitätserfordernis bestimmt § 114 SGB XII hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt an Ehegatten/eingetragene Lebenspartner und Kinder.
Rz. 19
Das Fehlen sachlicher Übereinstimmungen ist insbesondere beim Anspruch auf Ersatz von Sachschäden sowie bei immateriellen Schadensersatzansprüchen (z. B. Schmerzensgeld gemäß § 847 Abs. 1 BGB) gegeben. Hingegen besteht bei Erwerbsschäden, also allen Leistungen, die Lohnersatzfunktion haben (z. B. Krankengeld, Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Verletztengeld, Verletztenrente, Übergangsgeld usw.), Deckungsgleichheit mit dem Schadensersatzanspruch des Versicherten gemäß § 843 Abs. 1 BGB. Weiterhin besteht Deckungsgleichheit zwischen Ansprüchen auf Ausgleich vermehrter Bedürfnisse nach § 843 Abs. 1 BGB z. B. mit einer Rente nach § 31 BVG, der Haus- und Anstaltspflege, dem Pflegegeld und der Haushaltshilfe. Dies trifft ebenfalls grundsätzlich zu für Witwen-, Witwer-, Waisen- und Erziehungsrente nach §§ 46 ff. SGB VI. Zu den vermehrten Bedürfnissen zählt auch der Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskost...