2.1 Gesamtgläubigerschaft – Außenverhältnis
Rz. 5
Von einer Gesamtgläubigerschaft spricht man nach § 428 BGB dann, wenn mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sind, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu erbringen braucht. In solchen Fällen kann er dann nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger befreiend leisten. Dadurch bleibt dem Schadensersatzpflichtigen die oft schwierige Ermittlung erspart, in welcher Höhe der einzelne Leistungsträger sachlich anspruchsberechtigt ist. Gleichzeitig kann auch jeder Gesamtgläubiger den gesamten Ersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger geltend machen; er ist nicht auf den Ersatz lediglich in Höhe seiner eigenen Leistung beschränkt (u. a. Kater, in: KassKomm, SGB X, 101. EL. September 2018, § 117 Rz. 4 m. w. N.). Die Gesamtgläubigerschaft entsteht aber erst mit dem Anspruchsübergang nach§ 116. Sie realisiert sich durch die tatsächliche Leistungserbringung. Gesamtgläubigerschaft besteht hingegen nicht, wenn einer von mehreren beteiligten Sozialleistungsträgern die Sozialleistung endgültig zu tragen hat – also in den Fallkonstellationen der §§ 102 bis 105.
Rz. 6
Seinem Wortlaut nach bezieht sich § 117 auf alle Sozialleistungsträger. Die Entstehungsgeschichte sowie die Bezugnahme auf § 116 Abs. 2 und 3 machen aber deutlich, dass § 117 – zumindest in seiner unmittelbaren Anwendung – nur Anspruchsübergänge nach § 116 umfasst und somit Gesamtgläubiger nur Sozialversicherungsträger (einschließlich der Bundesagentur für Arbeit) und Sozialhilfeträger (einschließlich der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II) sein können (BGH, Urteil v. 14.2.1989, VI ZR 244/88). Eine analoge Anwendung von § 117 kommt jedoch in den Fällen in Betracht, wo Gesamtgläubigerschaft zwischen Sozialversicherungs-/Grundsicherungsträgern und Versorgungsträgern bzw. beamtenrechtlichen Dienstherrn besteht (BGH, Urteil v. 14.2.1989, VI ZR 244/88; Schlaeger/Bruno, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 12/2016, § 117 Rz. 11). Zudem ordnet § 179 Abs. 1a Satz 3 SGB VI eine entsprechende Anwendung des § 117 an. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber oder Haftpflichversicherer und einem Sozialleistungsträger findet § 117 hingegen keine Anwendung (Schlaeger/Bruno, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 12/2016, § 117 Rz. 11 m. w. N.).
Rz. 7
Die Einrede der Verjährung kann ein Schuldner nur gegenüber dem Gesamtgläubiger wirksam geltend machen, in dessen Person sie eingetreten ist. Die anderen Gesamtgläubiger können den gesamten Ersatzanspruch geltend machen. Ein von einem Gesamtgläubiger mit dem Schuldner geschlossener Abfindungsvergleich hat nur eingeschränkte Gesamtwirkung. Es wird nur der Teil des Gesamtschuldanspruchs erfasst, der dem Gesamtgläubiger im Innenverhältnis zusteht, der den Vergleich geschlossen hat; die anderen Gesamtgläubiger erleiden hierdurch keine Nachteile (BGH, Urteil v. 4.3.1986, VI ZR 234/84). Der Verzug eines Gesamtgläubigers wirkt hingegen gemäß § 429 BGB gegenüber allen Gläubigern.
2.2 Regelung im Innenverhältnis
Rz. 8
Entgegen der grundsätzlichen Regelung in § 430 BGB, wonach die Gesamtgläubiger im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen berechtigt sind, enthält § 117 Satz 2 eine Sonderregelung, wonach die Leistungsträger untereinander im Verhältnis der von ihnen erbrachten Sozialleistungen anteilig zum Ausgleich verpflichtet sind. So wird auch bei laufenden Teilleistungen ein baldiger Ausgleich der Leistungsträger untereinander herbeigeführt (BT-Drs. 9/95 S. 29). Wer also mehr Leistungen erbracht hat, erhält einen größeren Anteil des übergegangenen Schadensersatzanspruchs. Ist ein Leistungsträger durch ein Teilungsabkommen gebunden, bezieht sich der damit verbundene Forderungserlass nur auf den Forderungsteil, der diesem Leistungsträger im Innenverhältnis zusteht (BGH, Urteil v. 11.7.1963, II ZR 29/61).
Rz. 9
Nach § 117 Satz 3 gilt die anteilige Ausgleichspflicht nicht, soweit bei bestehender Gesamtgläubigerschaft eine bestimmte einzelne Sozialleistung von einem Leistungsträger allein erbracht worden ist; dann steht ihm auch der Schadensersatzanspruch im Innenverhältnis zum anderen Leistungsträger allein zu (BGH, Urteil v. 1.7.1969, VI ZR 216/67). Dies sind Leistungen, die unter den anderen erbrachten Leistungen kein sachliches Gegenstück finden, z. B. Leistungen des Rentenversicherungsträgers gemäß § 249a SGB V, §§ 106, 315 SGB VI (Beiträge bzw. Beitragszuschüsse). Die anteilmäßige Aufteilung gilt also nur bei einander vergleichbaren Sozialleistungen und damit auch nicht etwa im Verhältnis Rentenleistung zu Krankenbehandlung (§§ 27 ff. SGB V). Die Krankenkasse, die in der Regel ihre Leistungen zuerst erbracht haben wird, behält dann – bis zur Haftungsgrenze – ihren vollen Ersatzanspruch auch im Innenverhältnis gegenüber dem Rentenversicherungsträger.
Rz. 10
Der Gesetzgeber gibt dem Leistungsträger aber durch § 117 Satz 4 auch die Möglichkeit, ein anderes Ausgleichsverhältnis zu vereinbaren. Dies ist dogmatisch möglich, weil es sich bei der Regelung in § 117 um dispositives Recht han...