Rz. 15
Abs. 2 nennt typisierend Fälle, in denen von einer Begründung in dem schriftlichen sowie elektronischen oder schriftlich sowie elektronisch bestätigten VA abgesehen werden kann. Dies gilt primär bei begünstigenden Ermessensentscheidungen, aber auch für belastende VA, wenn dabei die Angaben des Betroffenen unverändert zugrunde gelegt werden (z. B. Angaben über Einkünfte bei der Beitragsfestsetzung nach § 240 SGB V). Bedeutung hat die Frage der Entbehrlichkeit einer Begründung dabei insbesondere in den Fällen der ganz oder teilweisen Leistungsablehnung oder bei belastend eingreifenden VA, weil in diesen Fällen die formelle Rechtmäßigkeit Bedeutung für den Bestand des VA hat. In zweifelhaften Fällen ist daher einer wenn auch kurzen Begründung der Vorzug vor einem Absehen von einer Begründung zu geben. Die Aufzählung in Abs. 2 ist, da sie Ausnahme zu Abs. 1 ist, abschließend. Die Begründungspflicht entsteht aber auch für einen an sich nach Abs. 2 begründungsfreien VA im Falle eines Widerspruchsbescheides, da dieser immer zu begründen ist (§ 85 Abs. 3 SGG).
Rz. 16
Eine Begründung ist nach Abs. 2 Nr. 1 in den Fällen entbehrlich, in denen die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt. Eine Begründung kann daher insbesondere in Fällen der vollständigen Bewilligung einer beantragten Leistung entfallen, denn ein dem Rechtsschutzinteresse dienender Überprüfungsbedarf besteht nicht. Als Antrag ist der materiell-rechtliche (z. B. für Renten nach § 99 SGB VI) oder verfahrensmäßige Antrag (z. B. § 19 SGB IV) auf eine Leistung oder ein sonstiges Tätigwerden der Behörde mittels VA zu verstehen. Unter Erklärungen wird man solche Angaben rechtlicher oder tatsächlicher Art verstehen müssen, die aus eigenem Interesse oder auf Aufforderung der Behörde hin gemacht wurden und an die der folgende VA anknüpft.
Rz. 17
Entbehrlich ist in diesen Fällen eine Begründung nur, "soweit" den Anträgen und Angaben gefolgt wird. Ist der Antrag nur auf die Leistung selbst gerichtet (z. B. Antrag auf Rente oder Leistungen der Pflegeversicherung), macht dies nicht die Begründung der Rentenart und Rentenhöhe durch deren Berechnungsgrundlagen oder der Pflegestufe entbehrlich. Jede Abweichung zu Lasten des Betroffenen erfordert eine Begründung, zumindest insoweit, als einem konkretisierten Antrag nicht vollständig entsprochen oder die Erklärungen nicht identisch übernommen worden sind. Das gilt selbstverständlich erst recht, wenn eine andere als die beantragte Leistung gewährt wird und wenn Erklärungen und Angaben in einer anderen als der erwarteten Art verwertet werden, z. B. Einkommensangaben zur Belastungsgrenze (§ 62 SGB V) zur Feststellung des Überschreitens der Einkommensgrenze der Familienversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V für Angehörige.
Rz. 18
Auch wenn für den Antragsteller selbst die Begründung entbehrlich ist, besteht die Begründungspflicht, wenn der VA in Rechte Dritter eingreift (VA mit Drittwirkung). Die Begründung dient hier in erster Linie dem anfechtungsberechtigten Dritten gegenüber zur Überprüfung der Entscheidung und der zugrunde gelegten Angaben von dritter Seite. Dies hat insbesondere für den Fall der Anfechtung durch den Dritten (vgl. § 49) Bedeutung, wenn dieser andere Angaben zu seinen Gunsten geltend macht.
Rz. 19
Einer Begründung bedarf es auch nicht, wenn dem Adressat oder dem Betroffenen des VA die Auffassung der Behörde zur Sach- und Rechtslage bereits bekannt ist oder ohne weiteres erkennbar ist (Abs. 2 Nr. 2). Kenntnis muss in dem Umfang vorliegen, wie sie sonst als Begründung nach Abs. 1 erforderlich wäre. Die Bekanntheit der Rechtsauffassung der Behörde wird man nur dann annehmen können, wenn ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse Anträge ständig wiederholt werden und immer mit der gleichen Begründung abgelehnt werden müssten oder wenn während des Antragsverfahrens oder im Rahmen einer schriftlichen Anhörung die maßgebenden Gründe bereits mitgeteilt wurden. In diesen Fällen bereitet es jedoch im Regelfall keine Probleme, die Gründe als Begründung dem schriftlichen VA beizufügen und so gerade bei nicht begünstigenden VA Formfehlern vorzubeugen. Insgesamt ist in diesen Fällen die Bezugnahme auf die dem Betroffenen aus anderen Antragsverfahren bekannte Begründung eher angebracht.
Rz. 20
Die "ohne weiteres erkennbare Auffassung" der Behörde zur Sach- und Rechtslage dürfte eine Begründung nur dann entbehrlich machen, wenn diese zuvor in irgendeiner Weise bekannt gegeben worden ist, wie bei zuvor durchgeführten Verwaltungsverfahren mit gleichen Streitpunkten, dem Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung zu einem geltend gemachten Anspruch oder der mehrfachen Wiederholung desselben. Da es auf die Erkennbarkeit für den Empfänger ankommt, lassen sich allgemeine Grundsätze dafür nicht aufstellen.
Rz. 21
Die Begründung ist auch entbehrlich, wenn gleichartige VA in größerer Zahl oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen (Abs. 2 Nr. 3) erlassen werden und die Begründung nach den Verhältnissen des...