Rz. 6
In Satz 1 wird die Zulässigkeit der Datenerhebung durch die in § 35 SGB I genannten Stellen geregelt und damit von der Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und e i. V. m. Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO Gebrauch gemacht.
Voraussetzung für eine zulässige Datenerhebung ist nach Satz 1, dass die Kenntnis der Daten zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist. Satz 1 verweist insoweit auf die Aufgaben nach diesem Gesetzbuch; gemeint sind die "einzelnen Bücher einschließlich der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs" (BT-Drs. 18/12611). Zum Aufgabenbegriff vgl. die Komm. zu § 67 Abs. 3 (Rz. 9).
2.1.1 Erforderlichkeit
Rz. 7
Die zulässige Datenerhebung wird begrenzt durch ihre Erforderlichkeit. Die Erhebung muss zur aktuellen Aufgabenerfüllung notwendig sein; eine Datenerhebung auf Vorrat ist untersagt.
Dies ergibt sich aus dem Wort "erforderlich" in § 67a Abs. 1 Satz 1 sowie aus dem unmittelbar anzuwendenden Art. 6 DSGVO, der in Abs. 3 Satz 2 festlegt, dass der Zweck der Verarbeitung "für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich sein" muss. Personenbezogenen Daten sollten "für die Zwecke, zu denen sie verarbeitet werden, angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke ihrer Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein" (Erwägungsgrund [EG] 39 DSGVO).
2.1.2 Einwilligung
Rz. 8
In der Gesetzesbegründung zur Anpassung von § 67a zum 25.5.2018 an die Vorgaben der DSGVO wird klargestellt: "Eine Einwilligung der betroffenen Person in die Datenerhebung ist dann nicht erforderlich" (BT-Drs. 18/12611). Sofern also die Sozialdaten zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung der Stellen nach § 35 SGB I erforderlich sind, dürfen sie ohne Einwilligung der betroffenen Person erhoben werden. Dies bezieht sich zunächst auf den Umfang der Daten (die Erforderlichkeit); die weiteren Anforderungen des § 67a Abs. 2 sind zusätzlich zu beachten. Gleiches gilt für die Informationspflichten, die seit 25.5.2018 nicht mehr in § 67a sondern in Art. 13 und 14 DSGVO und in §§ 82 und 82a SGB X geregelt sind (vgl. die Komm. zu § 82 SGB X und zu § 82a SGB X).
Rz. 9
Aufgrund der unmittelbaren Rechtswirkung von Art. 6 DSGVO können personenbezogene Daten außerdem zulässig erhoben werden, wenn eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt. Darauf geht auch die Gesetzesbegründung zu § 67a Abs. 1 ein (BT-Drs. 18/12611); danach können nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a DSGVO "mit der Einwilligung der betroffenen Person Daten erhoben werden. Auch in anderen Fallkonstellationen ist bereits aufgrund der unmittelbar geltenden Verordnung eine Erhebung von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig; dies gilt z. B. wenn die Verarbeitung erforderlich ist, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2016/679)."
Rz. 10
Auch mit Einwilligung der betroffenen Person ist eine Erhebung von Sozialdaten durch die Stellen nach § 35 SGB I nicht willkürlich und unbegrenzt zulässig; sie muss im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung erfolgen. Darauf wird in der Gesetzesbegründung ergänzend ausdrücklich hingewiesen. "Diese Verarbeitungsgrundlagen (Anm. hier die Einwilligung) stehen bei öffentlichen Stellen wiederum nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit für die Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben (vgl. für Sozialversicherungsträger § 30 des Vierten Buches)". Die Erforderlichkeit bezieht sich hier nicht auf den Umfang der zu erhebenden Daten, sondern auf die gesetzlichen Aufgaben, wie sich aus dem Verweis auf § 30 SGB IV ergibt, der festlegt, dass die Stellen nur "Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden" dürfen.
Rz. 11
Neben den unbedingt und unbestritten zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Daten, die ohne Einwilligung erhoben werden dürfen, gibt es eine Vielzahl gesetzlicher Aufgaben der Stellen nach § 35 SGB I, bei denen nicht von vorneherein in jedem Einzelfall festgelegt werden kann, welche konkreten Daten tatsächlich zur Aufgabenerfüllung erforderlich sein werden. Dies ist insbesondere bei umfangreichen Erhebungen für die Entscheidung über Leistungsgewährungen der Fall, z. B. bei Anträgen auf Rehabilitationsleistungen oder Renten wegen Erwerbsminderung.
Viele Informationen in Form von personenbezogenen Daten können entscheidungsrelevant sein, können aber auch "nur" hilfreich bei der Entscheidungsfindung sein oder sie sind nicht in jedem Einzelfall relevant, die Erhebung erfolgt aber über Standardformulare, hier besonders gemeint sind die sog. Selbstauskunftsbogen. Um sich in dieser Grauzone datenschutzrechtlich abzusichern, arbeiten viele Stellen nach § 35 SGB I seit Jahren vorsorglich mit Einwilligungen der betroffenen Personen b...