Rz. 21
Abs. 1 lässt eine Übermittlung regelmäßig nur mit Einwilligung der betroffenen Person zu oder in besonderen Fällen. Um den Datenfluss zwischen den Sozialleistungsträgern nicht grundsätzlich einzuschränken, lässt Abs. 2 in bestimmten Fällen weitere Ausnahmen zu.
Abs. 2 bildet insoweit 2 Fallgruppen, die sich auch dadurch unterscheiden, dass die betroffene Person einmal ein Widerspruchsrecht hat (Nr. 1) und einmal nicht (Nr. 1a, 2 und 3).
2.2.1 Sozialdaten, die im Zusammenhang mit einer Begutachtung oder Ausstellung einer Bescheinigung übermittelt worden sind (Nr. 1)
Rz. 22
Nach Abs. 2 Nr. 1 darf der Sozialleistungsträger auch besonders schutzwürdige Daten übermitteln, sofern ihm diese im Zusammenhang mit einer Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung übermittelt worden sind.
An diese Übermittlung im Zusammenhang mit einer Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung sind strenge Anforderungen zu stellen. Den Sozialleistungsträgern sollen zwar durchaus Verfahrenserleichterungen durch Abs. 2 Nr. 1 eingeräumt werden, das sozialdatenschutzrechtliche Schutzniveau soll dadurch aber nicht abgesenkt werden. Für die erleichterte Übermittlung nach Abs. 2 Nr. 1 müssen also 2 Voraussetzungen erfüllt sein:
Rz. 23
1. "Im Zusammenhang mit einer Begutachtung"
Der ausdrücklich geforderte Zusammenhang mit einer Begutachtung verdeutlicht, dass von der Ausnahme von Abs. 1 (also dem Einwilligungserfordernis) nicht die üblichen Anamnese-, Befund- und Diagnosedaten erfasst werden. Für sie gilt weiterhin Abs. 1.
Unter Begutachtung i. S. v. Abs. 2 ist die sachverständige, auf Befundtatsachen beruhende und mit einer Schlussfolgerung (Wertung) versehene Äußerung eines zur Wahrung des Berufsgeheimnisses Verpflichteten zu verstehen. Typische Fälle sind medizinische Begutachtungen durch Fachärzte für Entscheidungen über Renten, Rehabilitationsleistungen oder Pflegehilfen nach dem SGB XI.
Auch die Daten, die während einer Leistung zur Teilhabe in den eigenen Rehabilitationseinrichtungen oder in Vertragseinrichtungen erhoben und den Kostenträgern, z. B. den Rentenversicherungsträgern, meist in Form des ärztlichen Entlassungsberichts zur Verfügung gestellt werden, gehören nicht dazu. Diese Daten werden nicht mehr im Zusammenhang mit der Begutachtung wegen der Erbringung der Sozialleistung den Sozialleistungsträgern zugänglich gemacht, sondern bei der Durchführung der bereits bewilligten Leistung, nämlich bei der Durchführung der Leistung zur Teilhabe. Hier handelt es sich um eine Behandlung.
Rz. 24
2. "Übermittelt worden sind"
Die Daten müssen der in § 35 SGB I genannten Stelle übermittelt worden sein. Anders als Abs. 1, der von "zugänglich gemacht" ausgeht, fordert Abs. 2 Nr. 1 ausdrücklich, dass die Daten "übermittelt worden sind".
Dies trifft nicht für den Entlassungsbericht über eine Leistung zur Teilhabe durch eine in § 35 SGB I genannte Stelle zu, wenn sie diese Leistung selbst bewilligt hat. Der Entlassungsbericht wurde ihr dann als Kostenträger nicht von einer anderen Stelle übermittelt, sondern innerhalb des Leistungsträgers weitergegeben. Dies stellt eine Nutzung/Verwendung i. S. v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar. Ausführliche Erläuterungen der Begrifflichkeiten des Art. 4 DSGVO und der Definitionen in § 67 sowie zur Abgrenzung von Nutzung zur Übermittlung finden sich in der Kommentierung zu § 67.
2.2.1.1 Besonderheit des Rehabilitationsentlassungsberichts
Rz. 25
Sozialleistungsträger dürfen die Daten des Rehabilitationsentlassungsberichts (ärztlichen Entlassungsberichts) einer von ihnen selbst durchgeführten Leistung zur medizinischen Rehabilitation nur unter den Voraussetzungen des Abs. 1, d. h. regelmäßig nur mit Einwilligung der betroffenen Person, übermitteln, da diese Daten nicht unter die Ausnahmeregelung des Abs. 2 Nr. 1 fallen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistung in einer eigenen Rehabilitationsklinik der Stelle nach § 35 SGB I durchgeführt wurde oder in einer sog. Vertragseinrichtung.
Rz. 26
Nur sofern in den jeweils geltenden Spezialvorschriften des SGB, z. B. für die gesetzlichen Krankenkassen das SGB V, eine Übermittlungsbefugnis enthalten ist, geht diese nach § 37 Satz 1 SGB I dem § 76 vor. Im Ergebnis darf dann auch ohne Einwilligung der betroffenen Person der Rehabilitationsentlassungsbericht oder Teile bzw. Daten daraus in diesem genau geregelten Fall zulässig übermittelt werden.
Erbringt eine gesetzliche Krankenkasse eine medizinische Leistung zur Rehabilitation nach § 40 SGB V in einer Rehabilitationseinrichtung, mit der ein entsprechender Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht (Leistungserbringer), so ist es nach § 276 Abs. 2 Satz 2 SGB V zulässig, dass die Leistungserbringer den Rehabilitationsentlassungsbericht unmittelbar an den MDK übermitteln.
Hierin könnte eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis gesehen werden, da es heißt: "sind die Leistungserbringer verpflichtet, diese Daten unmittelbar an den Medizinischen Dienst zu übermitteln". Dem Gesetzgeber ging es bei der Ergänzung des § 276 Abs. 2 SGB V im Jahr 2016 durch Art. 6 des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Kranke...