2.2.1 Gesetzliche Nebenpflicht
Rz. 11
Die Pflicht zur Zusammenarbeit besteht im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Leistungsträger und umfasst alle Bereiche, in denen Aufgaben vom jeweiligen Leistungsträger ausgeübt werden. Der Begriff der Aufgabenerfüllung begrenzt sich nach der Vorschrift aber auf das Kerngeschäft. So können die nicht an den ärztlichen Zulassungsverfahren beteiligten Krankenkassen aus dieser Vorschrift keine Rechte im Sinne der Vorschrift gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen herleiten, auch wenn sie als Kostenträger durchaus von Entscheidungen in Zulassungsfragen betroffen sind (BSG, Urteil v. 13.12.2000, B 6 KA 26/00).
Rz. 12
Das Zusammenarbeitsgebot besteht anlässlich der Aufgabenerfüllung. Letztendlich handelt es sich hierbei um eine gesetzliche Nebenpflicht, die sich neben den unmittelbar aus der Aufgabenstellung herrührenden Pflichten ergibt. Wo nach dem Inhalt der zu erfüllenden Aufgaben eine Zusammenarbeit nicht möglich, erforderlich oder zweckmäßig ist, kann auch aus § 86 keine entsprechende Handlungspflicht hergeleitet werden. Die Grenzen der Zusammenarbeitspflicht sind durch pflichtgemäße Ermessensausübung durch die von § 86 verpflichteten Leistungsträger und den übrigen in der Vorschrift benannten Verbänden und öffentlich rechtlichen Vereinigungen zu ermitteln.
2.2.2 Enge Zusammenarbeit
Rz. 13
Nach dem Wortlaut des § 86 kann es sich nicht nur um eine gelegentliche, im Belieben des Leistungsträgers und von seinen jeweiligen Interessen abhängige Zusammenarbeit handeln. Gefordert ist vielmehr eine möglichst dichte Verknüpfung der koordinationsfähigen und -bedürftigen Aktivitäten der verpflichteten Träger, eben eine "enge" Zusammenarbeit. Eine Befassung oder Kontaktierung eines anderen Trägers ist aber nur dann angebracht, wenn ein koordinationsbedürftiger Sachverhalt bearbeitet werden muss.
§ 86 hat im Bereich der Rehabilitation eine besondere Bedeutung. Vorgängervorschrift war insoweit § 1244 RVO. Danach hatten die Rentenversicherungsträger bei der Heilbehandlung zusammenzuarbeiten, um eine ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und möglichst gleichmäßige Leistung für alle Betreuten zu gewährleisten. Hiermit sind die Intentionen und auch die Grenzen des § 86 hinlänglich beschrieben, worauf Schütze (in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 86 Rz. 5) zutreffend hinweist.
Rz. 14
Bei der Zusammenarbeit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Denn die Zusammenarbeit muss der Lage des Falles angepasst sein.
Bei einem entsprechend gelagerten Sachverhalt ergibt sich für den betroffenen Leistungsträger kein Ermessen hinsichtlich einer Zusammenarbeit, da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 86 dessen Adressaten zur Zusammenarbeit "verpflichtet" sind. Dies wird auch systematisch hergeleitet, da der Erste Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB X auch Ermessensvorschriften enthält. So "können" nach § 88 Aufträge mit Zustimmung des beauftragten Leistungsträgers erteilt werden, während die Leistungsträger nach § 86 zusammenarbeiten.
Rz. 15
Selbstverständlich kann grundsätzlich ein Angebot zur Zusammenarbeit seitens des anderen Leistungsträgers geprüft werden (z. B. anlässlich der Beurteilung eines Versicherungsverhältnisses, für das im Zeitablauf verschiedene Träger zuständig gewesen sind, wenn auf eine einheitliche Beurteilung, die sinnvoll erscheint, abgestellt werden soll). Das Ergebnis dieser Prüfung kann auch, wenn etwa kein Fall des § 86 vorliegt, eine Ablehnung der Zusammenarbeit sein. Eine Reaktion auf die Anfrage ist aber nicht dispositiv. Der angefragte Leistungsträger hat das Angebot zur Zusammenarbeit umgehend zu prüfen. Dies vor allem im Hinblick darauf, ob sich eine Pflicht zur Zusammenarbeit nach § 86 ergibt. Er ist verpflichtet, die Belange des anderen Trägers angemessen zu berücksichtigen, wenn seine Leistung die des anderen beeinflusst (vgl. Schütze, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 86 Rz. 5). In diesem Zusammenhang muss etwa der RV-Träger seine Entscheidung, dass verminderte Erwerbsfähigkeit nicht vorliegt, auf Anfrage der Krankengeld auszahlenden Krankenkasse auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Ergibt sich die Rechtswidrigkeit des entsprechenden Bescheides, hat der RV-Träger diesen im Hinblick auf die geforderte Zusammenarbeit mit der Krankenkasse zurückzunehmen.