Rz. 5
Auftrag i. S. d. § 88 ist die einvernehmliche Übertragung von Aufgaben des Auftraggebers an den Beauftragten aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Zur Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages vgl. §§ 53 ff.
2.1.1 Auftraggeber und Auftragnehmer
Rz. 6
Nur Leistungsträger (vgl. § 12 SGB I) können Aufträge erteilen. Verträge werden zwischen Leistungsträgern (§ 88 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.) oder mit dem jeweiligen Verband des Leistungsträgers (§ 88 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.) geschlossen. Sind Auftragsverhältnisse zwischen Leistungsträgern geschlossen worden, müssen diese nicht notwendig dem gleichen Verband angehören.
Rz. 7
Der Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 ist insofern unklar, als nach dem Gesetzestext lediglich die Aufgabenwahrnehmung durch "seinen" Verband möglich ist. So fragt sich, ob tatsächlich nur Auftragsverträge mit Verbänden, in denen der Leistungsträger Mitglied ist, geschlossen werden dürfen. Aus der Tatsache, dass nicht die Verbandszugehörigkeit des Leistungsträgers, sondern der dem Auftrag zugrunde liegende öffentlich-rechtliche Vertrag die Rechtsgrundlage des Auftrages sein kann, lässt sich auf ein Formulierungsversehen des Gesetzgebers schließen. Die Gesetzesbegründung liefert mehrere Beispiele, in denen der auftraggebende Leistungsträger nicht Mitglied des beauftragten Verbandes ist (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 18). Eine Weisungsgebundenheit des Leistungsträgers gegenüber dem Verband kann es grundsätzlich nicht geben. Von daher kann es für das Auftragsverhältnis auf die Verbandszugehörigkeit des Leistungsträgers nicht ankommen. Diese Auffassung wird auch dadurch gestützt, dass die Verbände nicht nur die Verwaltungsaufgaben der ihnen angehörigen Leistungsträger zu koordinieren haben, sondern auch die Zusammenarbeit ihrer Leistungsträger mit anderen Leistungsträgern vermitteln müssen (a. A. Dietmair, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: 13.12.2018, § 88 Rz. 19; SG Berlin v. 12.4.2018, S 56 KR 3964/15, anhängig beim BSG unter B 1 KR 16/18 R).
Rz. 8
Die Auftragsverhältnisse nach §§ 88 bis 92 unterscheiden sich von den in § 93 genannten Verhältnissen dahin gehend, dass der letztgenannten Vorschrift ein gesetzlich geregelter Auftrag bzw. ein gesetzliches Auftragsverhältnis zugrunde liegt.
2.1.2 Wahrnehmung von Aufgaben
Rz. 9
Aufträge können zur Wahrnehmung von Aufgaben erteilt werden. Insbesondere aus dem Gesetzeswortlaut, wonach der auftraggebende Leistungsträger Aufgaben wahrnehmen lassen kann, ist zu schließen, dass die rechtliche Verantwortlichkeit für die Aufgabenerledigung beim Auftraggeber verbleibt. Entsprechende Einflussmöglichkeiten des Auftraggebers sind in § 89 geregelt. Die volle Steuerungsmöglichkeit und die erforderliche Kontrolle sollen auf Seiten des Auftraggebers verbleiben. Der Auftrag kann in diesem Zusammenhang mit einer Bevollmächtigung verglichen werden.
2.1.3 Sachlicher Zusammenhang
Rz. 10
Das Erfordernis des sachlichen Zusammenhangs zwischen den Aufgaben von Auftraggeber und Beauftragten (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) ist weit zu fassen. Träger, Verbände oder Beauftragte, deren Aufgabenbereiche ohne jegliche Beziehung zueinander stehen, sollen hingegen keine Auftragsverhältnisse untereinander eingehen (BT-Drs. 9/95 S. 18). Selbstverständlich können aber Leistungsträger unterschiedlicher Sozialversicherungszweige Auftragsverhältnisse eingehen, wenn es Bereiche gibt, in denen sie vergleichbare Aufgaben ausüben, wie die Auszahlung von Entgeltersatzleistungen oder das Bereitstellen von Rehabilitationsleistungen.
2.1.4 Durchführung von Aufgaben
Rz. 11
Das Auftragsverhältnis muss die Durchführung von Aufgaben zum Inhalt haben. Dieses allgemein gehaltene Merkmal soll dahin gehend verstanden werden, dass es sich um Aufgaben handeln muss, die von dem beauftragten Leistungsträger in personeller, materieller oder institutioneller Hinsicht besser als vom Auftraggeber bearbeitet werden können. Zur Interpretation dieses Merkmals müssen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 69 SGB IV) herangezogen werden. Nach der Gesetzesbegründung sind die Voraussetzungen einer Auftragserteilung unter anderem gegeben, wenn der Beauftragte im Gegensatz zum Auftraggeber bereits über die notwendigen Einrichtungen verfügt.
2.1.5 Im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen
Rz. 12
Als Betroffene sind sowohl der Auftraggeber wie der Auftragnehmer und vor allem auch der Leistungsempfänger anzusehen. Wohlverstanden bedeutet im Gesetzessinne, dass nicht auf subjektive Interessen der Beteiligten abzustellen ist, sondern eine überindividuelle, nahezu objektive Würdigung der Interessen der Beteiligten vorzunehmen ist. Zu berücksichtigen sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wie auch das gesetzlich festgestellte Interesse an einer entsprechenden Beschleunigung des Verfahrens.
Rz. 13
So kann etwa die gemeinsame Nutzung von Rehabilitationseinrichtungen durch mehrere Träger im Sinne einer auftragsgemäßen Durchführung der Maßnahmen sinnvoller sein als die Unterhaltung mehrerer gleichartiger Rehabilitationseinrichtungen innerhalb der gleichen Region.
2.1.6 Zweckmäßigkeit
Rz. 14
Die Beauftragung muss aus den in § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Erwägungen, die kumulati...