0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift hat kein Vorbild in der RVO. Sie regelt einen neuen Versicherungsfall – den Gesundheitsschaden, der im Zusammenhang mit der Spende von Blut oder körpereigenen Organen, Organteilen oder Gewebe eingetreten ist. § 12a ist durch Art 2b des Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes (TPGÄndG) v. 21.7.2012 (BGBl. I S. 1601, 1611) eingefügt worden. Die Norm trat nach Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes am 1.8.2012 in Kraft.
Da zugleich dem Übergangsrecht des § 213 ein Abs. 4 angefügt wurde, gilt der neue Versicherungsfall des § 12a rückwirkend. Er umfasst auch vergangene Versicherungsfälle, die auf bereits entstandenen Gesundheitsschäden bei den Spendern nach der Einführung des Transplantationsgesetzes 1997 in der Zeit vom 1.12.1997 bis zum 31.7.2012 beruhen (BT-Drs. 17/9773 S. 42; vgl. auch: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes v. 19.10.2011, BT-Drs. 17/7376 S. 33 unter Ziff. 8b; Gundel, ZAT 2013, 54; Woltjen, MEDSACH 2014, 106). Allerdings bestehen Ansprüche auf Leistungen auch für diese bereits in der Vergangenheit eingetretenen Gesundheitsschäden nicht rückwirkend, sondern gemäß § 213 Abs. 4 Satz 2 erst ab dem Tag des Inkrafttretens am 1.8.2012 (vgl. auch BT-Drs. 17/9773 S. 42).
Das TPGÄndG dient der Umsetzung der Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 7.7.2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe (ABl. L 207 v. 6.8.2010, S. 14, L 243 v. 16.9.2010, S. 68).
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 12a ist Bestandteil der Umsetzung der EU-Richtlinie 2010/53/EU über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe (vgl. Weyd, Jura 2013, 437) in deutsches Recht. Das Ziel war zunächst die Verbesserung der Ablauforganisation insbesondere in und zwischen den beteiligten Krankenhäusern, die die Organspende in Deutschland durchführen. Um neben der Optimierung der Ablauforganisation auch die Möglichkeiten zu erweitern, die Bevölkerung mit dem Thema Organspende vertraut zu machen, kommt der Information und Aufklärung eine bedeutende Rolle zu. In Deutschland stehen noch immer zu viele Menschen auf der Warteliste von Eurotransplant International Foundation ohne die Chance, ein lebensrettendes Organ erhalten zu können. Immer noch sterben täglich 3 Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein Organ erhalten haben. Insgesamt liegt Deutschland im internationalen Vergleich bei der Zahl der Organspenden im unteren Mittelfeld (Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP v. 23.5.2012, BT-Drs. 17/9777 S. 1, zu der 3. Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Drs. 17/7376, 17/9773 – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes).
Im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes v. 12.8.2011 BR-Drs. 457/11 war Art. 2b noch nicht enthalten. Art. 2b ist erst im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens durch die Stellungnahme des Bundesrates v. 23.9.2011 angeregt worden (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes v. 19.10.2011, BT-Drs. 17/7376 S. 33 unter Ziff. 8b). Die jetzige Fassung des Art 2b entstammt der Ausschussberatung v. 23.5.2012 (vgl. BT-Drs. 17/9773 S. 26 und S. 41 f.).
Nach dem starken Rückgang der Organspenden während der Coronapandemie ist die Zahl der Organspenden in Deutschland wieder angestiegen. Es gibt aber weiterhin einen erheblichen Mangel an Spenderorganen. Die Anzahl der Lebendspenden beträgt bei Lebern 116 im Jahr 2019 und 117 im Jahr 2023. Die Anzahl der Nierentransplantationen aufgrund von Lebendspenden beträgt 1.181 im Jahr 2019 und 1.326 im Jahr 1.326.
Rz. 3
Die Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil v. 15.5.2012, B 2 U 16/11 R) hatte bisher für einen Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung unterschieden: (1) Die komplikationslose Organspende selbst war nicht versichert. (2) Der durch eine versicherte Organspende hervorgerufene Gesundheitsschaden, der auf einer Gesundheitsbeeinträchtigung beruht, die nach den derzeit anerkannten medizinischen Erfahrungssätzen nicht notwendig allein schon durch die operative Organentnahme verursacht wird, begründete eine versicherte Tätigkeit. Eine versicherte Tätigkeit erfordere Verrichtungen oder Handlungen des Verletzten selbst; die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit sei eine höchstpersönliche Handlung. Die Gesundheitsschäden, die beim Lebendorganspender durch eine rechtmäßige Transplantation notwendig verursacht würden, seien nach dem Schutzzweck des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b keine missbilligten Wirkungen des Eingriffs, sondern gehörten notwendig zur Organspende, die durch den das Transplantationsgesetz ergänzenden Unfallversicherungsschutz gebilligt werde und gefördert werden solle. Deshalb setze der Versicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b a. F. die Hinnahme der zur Organspende erforderlichen Körperverletzung voraus; sehe aber schon der Tatbestand der versicherten Tätigkeit den operat...