2.1 Materielles Dienstrecht
Rz. 3
Gemäß Satz 1 hat die Dienstordnung (DO) die Folgen der Nichterfüllung von Pflichten zu regeln. Dies wird allgemein als Auftrag zur Aufnahme disziplinarrechtlicher Regelungen angesehen. Zu ahnden ist demnach eine schuldhafte Verletzung der Dienstpflichten. § 8 Abs. 1 Muster-DO verweist auf die Regelungen des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) v. 9.7.2001 (BGBl. I S. 1510). Als Disziplinarmaßnahmen kommen nach § 5 Abs. 1 BDG i.V.m. der DO der Verweis, die Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge, die Zurückstufung und die Entfernung aus dem DO-Angestellten-Verhältnis in Betracht. § 8 Abs. 2 Muster-DO sieht ebenso wie § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BDG für DO-Angestellte im Ruhestand als Disziplinarmaßnahmen die Kürzung des Ruhegehalts und die Aberkennung des Ruhegehalts vor. Die DOen der Unfallversicherungsträger orientieren sich an der Muster-DO.
Rz. 4
Gemäß Satz 2 dürfen keine weitergehenden Rechtsnachteile als nach dem beamtenrechtlichen Disziplinarrecht vorgesehen werden. Dies wird durch die Verweisung auf Vorschriften der DO und durch die Generalverweisung in § 3 Muster-DO auf die Vorschriften des Beamtenrechts gewährleistet.
Rz. 5
Eine Verfehlung bei Eingehung des Dienstverhältnisses, z.B. die arglistige Täuschung über die frühere Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR (BAG, Urteil v. 2.12.1999, 2 AZR 724/98, BAGE 93 S. 41 = NJW 2000 S. 2444) oder die Vorlage eines gefälschten Zeugnisses (BAG, Urteil v. 1.6.2006, 6 AZR 730/05, USK2006 S. 172 = NZA-RR 2007 S. 103) stellt keine Verletzung einer Dienstpflicht dar, da das Dienstverhältnis erst noch begründet werden sollte. In solchen Fällen ist über die Generalverweisungsnorm des § 3 Muster-DO die Vorschrift des § 14 Abs. 1 BBG entsprechend anwendbar, wonach die Einstellung bzw. die Berufung in eine bestimmte Stellung als DO-Angestellter auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf, wenn die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BBG genannten Gründe vorliegen, u.a. dann, wenn die Einstellung durch arglistige Täuschung bewirkt wurde.
Rz. 6
Dienstentlassung aus disziplinarischen Gründen und fristlose Kündigung sind im Recht der DO-Angestellten scharf voneinander zu trennende Rechtsinstitute. Sie unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen und stehen nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis (BAG, Urteil v. 25.2.1998, 2 AZR 256/97, AP Nr. 69 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte = NZA 1998 S. 1182).
2.2 Verfahrensrecht
Rz. 7
§ 8 Abs. 3 Muster-DO und die Verfahrensgrundsätze als Anlage zur Muster-DO regeln die Durchführung des Disziplinarverfahrens für DO-Angestellte. Danach veranlasst der Vorgesetzte die erforderlichen Ermittlungen. Er kann damit einen Mitarbeiter oder eine externe Person, z.B. einen Rechtsanwalt, beauftragen. Der DO-Angestellte ist anzuhören, sobald dies ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks möglich ist. Ist mit der Dienstentlassung zu rechnen, so kann er vorläufig des Dienstes enthoben werden. In einem solchen Fall kann maximal die Hälfte der Dienstbezüge einbehalten werden. Nach Abschluss der Ermittlungen und vor der Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme hat der DO-Angestellte das Recht auf Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen innerhalb einer mindestens einmonatigen Frist.
Rz. 8
Zuständig für die Dienstenthebung ist der Vorstand, bei den übrigen Disziplinarmaßnahmen sehen die Verfahrensgrundsätze die Zuständigkeit der Geschäftsführung vor. Die Disziplinarmaßnahmen sind ebenso wie das Dienstverhältnis der DO-Angestellten privatrechtlicher Natur. Dagegen kann der DO-Angestellte Klage beim Arbeitsgericht erheben. Für die Klage eines Mitglieds der Geschäftsführung ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig. Zu unterscheiden davon ist ein Rechtsstreit, in dem es um Verfehlungen im Zusammenhang mit der Organstellung eines Mitglieds eines Selbstverwaltungsorgans geht. Organstellung und Dienstverhältnis gehören unterschiedlichen Rechtskreisen an. Die in § 59 Abs. 2 bis 6 SGB IV vorgesehenen Maßnahmen sind öffentlich-rechtlicher Natur. Daher ist der Sozialrechtsweg eröffnet. Gleiches gilt für die Anfechtung eines Bescheides der Aufsichtsbehörde gegenüber dem Unfallversicherungsträger (LSG Hamburg, Urteil v. 20.3.2007, L 3 U 12/05, unveröffentlicht).
Rz. 9
Der Erlass der DO und die auf der DO beruhende Disziplinarmaßnahme gegen einen DO-Angestellten lösen kein Beteiligungsrecht der Personalvertretung aus. Die Regelung des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG gilt nur für Beamte; § 75 Abs. 3 BPersVG findet schon nach dem Einleitungshalbsatz keine Anwendung, weil die DO als Satzung ein materielles Gesetz darstellt (BAG, Urteil v. 25.5.1982, 1 AZR 1073/79, BAGE 39 S. 76 = USK 8297).