2.1 Gefahrtarif
Rz. 3
Gemäß Abs. 1 Satz 1 setzt die Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers (vgl. § 33 Abs. 1 SGB IV) im Wege der Satzung (autonomes Recht) den Gefahrtarif fest. Der Gefahrtarif ist im Sinne des Begriffs Tarif ein verbindliches Verzeichnis. Es handelt sich dabei um eine Tabelle der Risikogemeinschaften einer Berufsgenossenschaft. Die Gefährdungsrisiken sind in den jeweiligen Gewerbezweigen durchaus unterschiedlich. Darum gilt es im Gefahrtarif nach Gefährdungsrisiken in den jeweiligen Gewerbezweigen zu differenzieren. Diese anhand der Unfallgefährlichkeit eingestuften Risikogemeinschaften bilden die Tarifstellen gemäß Abs. 2 Satz 1 (Näheres dazu unter Rz. 7 ff.). Jeder Tarifstelle ist eine Gefahrklasse zugeordnet. Die Gefahrklasse gibt den Grad der durchschnittlichen Unfallgefahr aller in einer bestimmten Gefahrentarifstelle zusammengefassten Unternehmen an.
Rz. 4
Um die Unfallgefährlichkeit für die Einstufung der Gefahrengemeinschaften in die passende Tarifstelle nach Abs. 2 Satz 1 vornehmen zu können, sind nach Abs. 1 Satz 2 in dem Gefahrtarif zur Abstufung der Beiträge nach den unterschiedlichen Unfall- und Berufskrankheitengefahren Gefahrklassen herzustellen. Die Gefahrklasse gibt den Grad der durchschnittlichen Unfallgefahr von Unternehmen mit vergleichbarer Schadenswahrscheinlichkeit oder vergleichbarem Unfallrisiko an (Näheres dazu unter Rz. 12 ff.).
Rz. 5
Der Gefahrtarif hat regelmäßig zwei Teile. Der erste Teil enthält die
- Tarifstellen mit den darunter gefassten Gefahrklassen für die typischen einer Berufsgenossenschaft zugeordneten Unternehmen. Die darunter subsumierten Unternehmen als Risikogemeinschaften können nach Gewerbezweigen, Tätigkeiten oder Mischformen von beiden zusammengefasst werden.
Der zweite Teil beinhaltet
- Regelungen für besondere Fallgestaltungen der Beitragsveranlagung. So sind beispielsweise Sonderregelungen bei Unternehmen, die aufgrund unterschiedlicher Gefährdungspotenziale unter mehrere Tarifstellen fallen können, wie etwa Haupt- und Nebenunternehmen, oder bei denen sich beitragserhebliche Veränderungen hinsichtlich der Unfallgefahr ergeben, in die Satzung aufzunehmen.
Rz. 6
Die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post- Logistik Telekommunikation kann als seit dem 1.1.2016 für die Unternehmen der Seefahrt zuständiger Unfallversicherungsträger gemäß Abs. 1 Satz 3 wegen der Besonderheiten in der Seefahrt von der Feststellung von Gefahrklassen absehen.
2.2 Tarifstellenbildung (Abs. 2)
Rz. 7
Um die Beiträge abzustufen, ist gemäß Abs. 2 der Gefahrtarif nach Tarifstellen zu gliedern. Eine Gefahrentarifstelle ist eine kleinere Risikogemeinschaft von Unternehmern innerhalb der bei einem Unfallversicherungsträger zusammengefassten Gewerbezweige. Eine Tarifstelle kann dabei auch einen oder mehrere Gewerbezweige aufweisen. Beim Tätigkeitstarif werden bestimmte Tätigkeiten – unabhängig von dem Gewerbezweig – einer bestimmten Tarifstelle zugeordnet.
Rz. 8
Ähnliche Gefährdungsrisiken sollen unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs in einer Tarifstelle zusammengefasst werden. Die Forderung des Gesetzgebers räumt der Berufsgenossenschaft das Recht ein, auch innerhalb einer Tarifstelle Beitragsdifferenzierungen hinsichtlich der Gefährdungsrisiken vornehmen zu können. Diesbezüglich hat die Berufsgenossenschaft allerdings nur einen begrenzten Gestaltungsspielraum. Dies folgt einerseits daraus, dass der Unfallversicherungsträger gehalten ist, im Hinblick auf die Unfallgefahren möglichst ähnliche Gewerbebetriebe zusammenzufassen (BSG, Urteil v. 22.3.1983, 2 RU 27/81), die dem entsprechend vergleichbar mit Beiträgen belastet werden können. Andererseits gilt im Rahmen der Beitragsdifferenzierung der Solidargedanke in der gesetzlichen Unfallversicherung, wonach Aufwendungen sowohl in leistungsrechtlicher als auch in beitragsrechtlicher Hinsicht von allen Mitgliedern der Versichertengemeinschaft zu tragen sind. Dabei ist jedoch die Solidarität der Versichertengemeinschaft nicht zu überstrapazieren. Besteht bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko, so kann daraus ein Anspruch des Gewerbetreibenden eines Betriebes mit erheblich geringerem Unfallrisiko auf Eingruppierung in eine andere Tarifstelle resultieren (BSG, Urteil v. 21.3.2006, B 2 U 2/05 R). Demgegenüber ist im umgekehrten Falle die Berufsgenossenschaft gehalten, den Betrieb mit erheblich höheren Gefährdungsrisiken einer anderen Tarifstelle zuzuordnen.
Rz. 9
Bei der Tarifstellenbildung sind versicherungsmathematische Grundsätze zu beachten. Die Risikogemeinschaften müssen groß genug sein, damit zufallsbedingte Schwankungen in der Beitragsentwicklung ausgeschlossen werden und das Versicherungsprinzip zum Tragen kommt (vgl. BSG, Beschluss v. 21.9.1991, 2 BU 42/91).
Rz. 10
Die Unfallversicherungsträger sind im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit grundsätzlich berechtigt, für Unternehmen zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung gesonderte Tarifstellen zu schaffen (vgl. ...