2.1 Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X (Abs. 1)
Rz. 6
§ 76 SGB X trifft Regelungen zur Einschränkung der Übermittlungsbefugnis bei besonders schutzwürdigen Sozialdaten, die von einem Arzt oder einem anderen in § 203 StGB genannten Geheimnisträger stammen.
Rz. 7
Danach sieht § 76 Abs. 1 SGB X zunächst eine besondere Einschränkung der Weitergabe von besonders schutzwürdigen Sozialdaten vor, deren Weitergabe nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, unter denen die in § 35 SGB I oder § 203 Abs. 1 oder 3 StGB genannte Person selbst zur Weitergabe dieser Daten berechtigt wäre. Der besondere Schutz dieser besonders sensiblen Daten folgt diesen also dergestalt nach bzw. bleibt an diesen haften, dass die die Kenntnis der Daten erhaltenden Personen für die Weitergabe dieser Daten selbst die für sie geltenden speziellen Voraussetzungen für eine evtl. Weitergabe der Daten erfüllen müssen. Die Einschränkung der Übermittlungsbefugnis (zum Begriff des Übermittelns vgl. § 67 Abs. 5 Nr. 3 SGB X) bei besonders schutzwürdigen Sozialdaten nach § 76 Abs. 1 SGB X gilt nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X im Rahmen der Zusammenarbeit der Sozialleistungsträger untereinander und im Interesse eines funktionierenden Verwaltungsverfahrens teilweise in gelockerter Form. Allerdings kann der Betroffene widersprechen. Der Widerspruch hat ein absolutes Verbot der Datenübermittlung zur Folge. Der Betroffene ist schriftlich auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen. Der Hinweis hat zu Beginn des Verwaltungsverfahrens zu erfolgen.
Rz. 8
Diese Rechtslage modifiziert Abs. 1 für den Bereich des SGB VII dahingehend, dass die Hinweispflicht des Unfallversicherungsträgers sich auch auf Widerspruchsrechte des Versicherten gegenüber anderen Sozialleistungsträgern erstreckt, wenn diese selbst nicht zu einem entsprechenden Hinweis verpflichtet sind. Diese Konstellation ist z. B. gegeben, wenn bei dem nach Informationen angefragten anderen Sozialleistungsträger derzeit kein Verwaltungsverfahren anhängig ist. Der Unfallversicherungsträger ist dann verpflichtet, seinen Versicherten darüber zu belehren, dass er der Weitergabe von Informationen an seinen Unfallversicherungsträger widersprechen kann.
Rz. 9
Der Zeitpunkt für diese Informationspflicht ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, doch dürfte es zweckmäßig sein, zu Beginn eines Verwaltungsverfahrens ausdrücklich auf die Widerspruchsmöglichkeit hinzuweisen. Es dürfte indes auch zweckmäßig sein und der Fürsorgepflicht gegenüber dem Versicherten entsprechen, dabei darauf hinzuweisen, dass bei nicht möglichen Feststellungen ggf. aufgrund der Verteilung der Beweis-/Feststellungslast eine Entscheidung zulasten des Versicherten die Konsequenz sein kann. Eine Wiederholung eines einmal eindeutig und schriftlich gegebenen Hinweises im selben Verwaltungsverfahren ist nicht erforderlich.
Rz. 10
Ebenfalls nicht im Gesetz geregelt ist die Frage, wie lange der Versicherte für seine Entscheidung über die Ausübung des Widerspruchsrechts Zeit hat. Insoweit ist jedenfalls eine der Bedeutung der Sache angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, in welcher der Versicherte ggf. auch einen für erforderlich gehaltenen Rechtsrat einholen kann. Damit der um Datenübermittlung gebetene Sozialleistungsträger (z. B. die Krankenkasse) sicher sein kann, dass der Unfallversicherungsträger seiner Hinweispflicht auch nachgekommen ist, und auch zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens, sollte in das Auskunftsersuchen ein Hinweis auf die Belehrung über das Widerspruchsrecht aufgenommen werden.
2.2 Auswahl eines Gutachters (Abs. 2 HS 1)
Rz. 11
Die freie Auswahl des Gutachters durch den Unfallversicherungsträger ist durch § 200 Abs. 2 HS 1 seit dem 1.1.1997 eingeschränkt. Die Bedeutung dieser knapp gefassten Regelung für das Verfahren ist erheblich.
2.2.1 Sinn und Zweck der Regelung
Rz. 12
Nach der Begründung des 11. Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, auf dessen Vorschlag das Auswahlrecht in Abs. 2 aufgenommen worden ist, dient die Regelung der Transparenz des Verfahrens. Außerdem soll das Verfahren dadurch beschleunigt werden, dass durch die Verpflichtung, mehrere Gutachter vorzuschlagen, das Erreichen einer größeren Anzahl von qualifizierten und erfahrenen Gutachtern begünstigt werden soll (BT-Drs. 13/4853 S. 22). Die Vorschrift ist zwar insbesondere im Hinblick auf die Begutachtung in Berufskrankheitenfällen geschaffen worden, eine Einschränkung ihres Anwendungsbereichs ergibt sich jedoch hieraus nicht (Erstkommentierung des UVEG, 10/96, § 200 Rz. 3). Das Auswahlrecht gilt daher auch für Begutachtungen nach Arbeitsunfällen.
2.2.2 Begriffsbestimmung des Gutachters
Rz. 13
Begrifflich wird sowohl im Verwaltungsverfahrensrecht (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) als auch im Prozessrecht (§§ 106 Abs. 3 Nr. 4, 118 Abs. 2 SGG, §§ 402 ff. ZPO) der Sachverständige bzw. der Sachverständigenbeweis genannt. Im gerichtlichen Sprachgebrauch ist vom Gutachter im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie vom gerichtlichen Sachverständigen die Rede. Der Gutachter/Sachverständige ist von anderen Beteiligten bei der Entscheidungsfindung zu unterscheiden, nämlich von dem sachverständigen Zeugen und dem Beteiligten.
Ein Gutachter...