0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift galt seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.1997 in unveränderter Form. In der früheren Regelung in § 1543d RVO war noch die Rede vom "behandelnden Arzt", was teils als Beschränkung auf aktuelle Behandlungen verstanden wurde, weswegen nunmehr nur noch die Rede von "Ärzten" ist. Durch den zusätzlichen Hinweis auf "frühere Erkrankungen" wurde geklärt, dass von der Vorschrift auch Auskünfte über Erkrankungen in der Vergangenheit erfasst sind (vgl. BT-Drs. 13/2204 S. 118; BT-Drs. 13/4754 S. 123). Durch Art. 128 Nr. 11 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626) wurde Abs. 2 mit Wirkung zum 26.11.2019 neu gefasst und an die Diktion der Verordnung (EU) 2016/679 angepasst.
1 Allgemeines
Rz. 2
Gegenüber § 201 erfasst die Vorschrift ausschließlich Ärzte und Zahnärzte, die außerhalb einer Heilbehandlung nach § 34 tätig geworden sind. Demnach wird hier die allgemeine Auskunftspflicht nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 SGB X speziell geregelt (vorrangige Spezialregelung).
2 Rechtspraxis
2.1 Behandlung außerhalb einer Heilbehandlung nach § 34
Rz. 3
Zur Behandlung an einer Heilbehandlung nach § 34 vgl. Komm. zu § 201. Außerhalb der Heilbehandlung nach § 34 findet eine Behandlung statt, wenn keine der dort genannten Voraussetzungen vorliegt.
2.2 Auskunftsverlangen des Unfallversicherungsträgers (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 4
Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift verlangt eine Selbstbeschränkung bei Auskunftsverlangen auf die Informationen, die für die zu erbringende Heilbehandlung und die Erbringung sonstiger Leistungen erforderlich sind. Demnach sind zunächst die Erkrankungen oder Verletzungen zu erfragen, welche in Beziehung zu dem Versicherungsfall stehen oder in einem Konkurrenzverhältnis hinsichtlich der Herbeiführung des Versicherungsfalles stehen. Die Entscheidung über die Informationen, die abgefragt werden, obliegt allein dem Träger der Unfallversicherung. Die Position des Unfallversicherungsträgers wird dadurch gestärkt, dass bei Zweifelsfällen maßgeblich darauf abzustellen ist, dass eine Soll-Vorschrift vorliegt und die Rede von einem "möglichen Zusammenhang" ist. Da wegen der Frage nach der Kausalität im Regelfall auch umfassend Vorerkrankungen erforscht werden müssen, lässt sich der vorliegenden Regelung keine strenge Begrenzung von Auskunftsersuchen entnehmen. Nur wenn es bereits vor der Anfrage ausgeschlossen erscheint, dass die abgefragten gesundheitlichen Beeinträchtigungen in einem Zusammenhang mit dem Versicherungsfall stehen, ist eine Einschränkung zu bejahen. Dies kann der Fall sein bei medizinischen Fachgebieten mit kaum oder wenig erkennbaren Berührungspunkten.
Bei einer möglichen Fußfehlstellung als Unfallfolge ist die Einholung von Informationen zu einer eventuellen Schwerhörigkeit i. d. R. nicht veranlasst.
Rz. 5
Fraglich ist, ob wegen der Regelung in Abs. 1 Satz 2 die Übersendung vollständiger Gutachten an den Unfallversicherungsträger in der Praxis nicht mehr möglich ist (so noch die Vorkommentierung). Die Übersendung eines kompletten Gutachtens dürfte dann zulässig sein, wenn im Wesentlichen eine Erkrankung einen möglichen ursächlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall betrifft und die Schwärzung der nicht relevanten Stellen des Gutachtens die Verständlichkeit des Gutachtens insgesamt beeinträchtigen würde. In einem solchen Fall ist entscheidend, dass es sich um eine Soll-Vorschrift handelt und gewichtige Gründe vorliegen, ggf. weitergehende Informationen abzufragen. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Ermittlungen des Unfallversicherungsträgers nicht zulasten des Versicherten erfolgen und die Feststellung des Versicherungsfalles die Voraussetzung für wesentliche Leistungen ist. Da die Ermittlungen des Unfallversicherungsträgers auch der Ermittlung der Frage der Kausalität dienen, welche Voraussetzung für die Begrenzung der Auskunftspflichten ist, kann zu Beginn der Ermittlungen mit Fragen der Kausalität häufig keine wesentliche Eingrenzung von Auskunftsersuchen verlangt werden.
2.3 Auskunftserteilung durch den Arzt (Abs. 1 Satz 1 und 3)
Rz. 6
Die Auskunft ist zunächst durch das Kriterium der Erforderlichkeit eingeschränkt, wozu auf die Kommentierung zu § 199 verwiesen wird. Dem Wortlaut lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die Begleitumstände von gesundheitlichen Einschränkungen (wie Unfallort und -hergang) ebenfalls zu den zu erteilenden Auskünften gehören. Wegen des Fehlens einer Formulierung vergleichbar derjenigen in § 201 Abs. 1 Satz 1 "sowie andere personenbezogenen Daten" liegt der Schluss nahe, dass die Auskunftspflicht nach § 203 enger und auf die gesundheitlichen Einschränkungen an sich beschränkt ist (anders Ricke, KassKomm., SGB VII, Stand: Juni 2007, § 203 Rz. 5). Ein sachlicher Grund hierfür ist darin zu sehen, dass die Beziehungen der Unfallversicherungsträger zu den nach § 34 behandelnden Ärzten enger sind, was weitergehende Auskunftspflichten rechtfertigt. Das in diesem Zusammenhang genannte Argument, dass es sich bei nichtmedizinischen Daten generell um weniger sensible Daten handeln so...