Rz. 25
Abs. 1 Nr. 2 entspricht dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht des § 544 Nr. 1 RVO. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass betriebsfremde Personen denselben betrieblichen Gefahren ausgesetzt sind, wenn sie sich auf dem Betriebsgelände aufhalten, und deshalb zugunsten des Unternehmers die Haftungsablösung der Unfallversicherung nach § 104 gerechtfertigt erscheint. Da die Satzungsversicherung für Unternehmensbesucher wie eine (private) Haftpflichtversicherung wirkt und somit einen Fremdkörper im SGB VII darstellt, wird neuerlich Kritik an dieser Vorschrift geübt (vgl. Ricke, NZS 1998, 420, und ders., BG 2002, 84). Der Kritik ist hinsichtlich der Vorstände von Aktiengesellschaften zuzustimmen, und zwar unabhängig von der Größe der Gesellschaft (vgl. zum Satzungsmuster § 58 Abs. 1 Buchst. e: HVBG-Info 2001, 338). Ihnen steht nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 38/98 R) die Versicherungsmöglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 6 offen.
2.8.1 Gesetzlicher Umfang
Rz. 26
Entspricht die Satzungsregelung dem Gesetzeswortlaut, umfasst sie alle betriebsfremden Personen, die sich erlaubtermaßen auf dem Gelände des Unternehmens aufhalten. Im Gegensatz zu allen anderen die Versicherungspflicht begründenden Vorschriften kommt es auf einen besonderen betrieblichen Zweck des Aufenthaltes nicht an, so dass die körperliche Anwesenheit allein ausreichend ist und eine Prägung durch lediglich eigenwirtschaftliche Motive nicht entgegensteht.
Rz. 27
Räumlich ist der Versicherungsschutz auf das Unternehmensgelände, zeitlich auf die Dauer der Anwesenheit auf demselben beschränkt. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift sind Wegeunfälle nach § 8 Abs. 2 vom Versicherungsschutz ausgenommen. Alle Wege von und nach dem Gelände des Unternehmens können nicht in den satzungsmäßigen Versicherungsschutz einbezogen werden (BSG, Urteil v. 25.8.1970, 2 RU 51/68; Angermaier, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 3 Rz. 66); a. A. Leube, in: Kater/Leube, § 3 Rz. 31, der Versicherungsschutz bei einer Probefahrt außerhalb des Betriebsgeländes annimmt).
Rz. 28
Unerheblich ist, ob das aufgesuchte Unternehmen ein "Einmann"-Unternehmen ist, also keine Mitarbeiter beschäftigt werden (ebenso: Angermaier, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 3 Rz. 68); a. A. Leube, in: Kater/Leube, SGB VII, § 3 Rz. 30).
Rz. 29
Befindet sich das aufgesuchte Unternehmen in Mieträumen, so ist zwischen den der Verkehrssicherungspflicht und Organisationshoheit des Unternehmens unterliegenden Mieträumen und nicht vermieteten, gemeinschaftlich genutzten Räumen zu unterscheiden. Gemeinschaftlich genutzte Flächen, wie beispielsweise Treppen, Korridore, Aufzüge, Freiflächen vor dem Haus, Parkplätze etc., gehören zur Unternehmensstätte des Vermieters, nicht des Mieters. Besucher des Mieters stehen in keiner Aufenthaltsbeziehung zum Vermieter.
Rz. 30
Der Personenkreis der im Betrieb Beschäftigten ist bereits vorrangig nach § 2 Abs. 1 versichert, auch die Volontäre und Praktikanten werden zumindest als arbeitnehmerähnliche Personen nach § 2 Abs. 2 angesehen. Ebenso wenig zu den betriebsfremden Personen gehören die zur Ausbildung nach § 2 Abs. 1 Ziff. 12 pflichtversicherten Teilnehmer an einer auf dem Unternehmensgelände veranstalteten überbetrieblichen Schulung, einem Schulungskurs oder einer Besichtigung im Rahmen einer solchen Schulung. Weil die Versicherung kraft Gesetzes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 vorgeht, sind auch die bei einem anderen Unternehmen beschäftigten Lieferanten, Monteure oder Boten bei der Unfallversicherung ihres Stammunternehmens und nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 kraft Satzung versichert.
Versicherungspflichtig sind unversicherte Selbständige wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Sachverständige, Ärzte usw., die in Ausübung ihrer Tätigkeit das Unternehmensgelände betreten, ebenso alle eingeladenen Besucher, die eine Betriebsbesichtigung durchführen.
Rz. 31
Nicht durch Satzung geregelt werden können das Leistungsspektrum und die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen. Deshalb scheidet eine Ausdehnung der Satzungsversicherung auf den privaten unversicherten Bereich aus (BSG, Urteil v. 29.5.1963, 2 RU 141/60).
Beispiele:
- Der in der Werkstatt beschäftigte Arbeitnehmer A kann nicht für die private Nutzung der Werkstatt während der Arbeitszeit zur Reparatur des Privatwagens, die der Arbeitgeber ihm gestattet hat, oder nach Feierabend in die Satzungsversicherung einbezogen werden.
- Umgekehrt hat das BSG (Urteil v. 30.9.1970, 2 RU 265/67) die Aufenthaltsversicherung bejaht, wenn ein Betriebsangehöriger ein Meisterstück außerhalb der Arbeitszeit mit Erlaubnis des Unternehmers in dessen Betrieb herstellt.
Die Satzung kann jedoch Ausnahmen im Hinblick auf den Beginn des Verletztengeldes (§ 46 Abs. 2), den Rentenbeginn (§ 72 Abs. 3) und den Jahresarbeitsverdienst (§ 83) vorsehen.
2.8.2 Satzungsrechtlicher Umfang
Rz. 32
Im Einzelfall gibt die konkrete Ausgestaltung der Satzung den Ausschlag. Üblich ist eine Beschränkung sowohl im Hinblick auf den Personenkreis al...