2.1 Vorläufige Entschädigung
Rz. 5
Die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit setzt voraus, dass sich in den Folgen des Versicherungsfalls ein stabiler Dauerzustand eingestellt hat. Ist dies nicht der Fall, soll für die ersten 3 Jahre nach dem Versicherungsfall zunächst eine vorläufige Entschädigung festgestellt werden. "Vorläufig" bezieht sich mithin nur auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit. Da gerade bei leichteren Verletzungen damit zu rechnen ist, dass die verbliebenen Folgen sich in naher Zukunft bessern oder ganz wegfallen, hat der Unfallversicherungsträger die Möglichkeit, innerhalb dieses Zeitraums die Höhe der MdE unabhängig von der Dauer der Veränderung jederzeit neu festzustellen. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit dieser Änderungen richtet sich nach § 73. Ist hingegen eine Rente auf unbestimmte Zeit festgestellt worden, ist eine Änderung nur noch in jährlichen Abständen seit dem Zeitpunkt der letzten Feststellung (§ 74) und unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 möglich. Da es sich bei der Rente als vorläufige Entschädigung um eine endgültige und nicht bloß vorläufige Leistung bzw. einen Vorschuss handelt, hat der Versicherte auch keinen Anspruch auf eine die vorläufige Entscheidung ersetzende Entscheidung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Entscheidung v. 27.7.2016, L 3 U 175/16). Demgegenüber unterliegt die Rente als vorläufige Entschädigung auch nicht der Rückzahlungspflicht gemäß § 42 SGB I.
Der Unfallversicherungsträger muss eindeutig klarstellen, dass er Rente als vorläufige Entschädigung gewährt. Anderenfalls ist ein Rentenbescheid, aus welchem nicht klar ersichtlich ist, dass eine Rente nur als vorläufige Entschädigung gewährt werden soll, als Bescheid über eine Rente auf unbestimmte Zeit anzusehen (BSG, Urteil v. 16.2.2010, B 2 U 2/09R).
Rz. 6
Liegt keine rentenberechtigende MdE mehr vor und wird die vorläufige Entschädigung entzogen, ist diese Entziehung zugleich auch Ablehnung einer Rente auf unbestimmte Zeit (vgl. BSG, Urteil v. 21.3.1974, 8/2 RU 55/72).
2.2 Rente auf unbestimmte Zeit
Rz. 7
Wird im Anschluss an eine vorläufige Entschädigung eine erstmalige Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit vorgenommen, ist der Unfallversicherungsträger nicht an die festgestellte MdE-Höhe der vorläufigen Entschädigung gebunden. Denn hier ist ausschließlich aufgrund des gegenwärtigen Befundes der Verletzungsfolgen und unter Berücksichtigung etwa eingetretener Anpassung und Gewöhnung der Vomhundertsatz der MdE einzuschätzen. Des Nachweises einer Besserung in den Unfallfolgen bedarf es nach der ausdrücklichen Bestimmung in Abs. 2 nicht, so dass auch in der Höhe der MdE um 5 % abgewichen werden kann. Hier hat der Unfallversicherungsträger letztmalig die Möglichkeit, sofern bisher Unfallfolgen bzw. die daraus resultierende MdE fehlerhaft festgestellt wurden, vorausgegangene Feststellungen zu korrigieren, ohne den Einschränkungen nach § 48 SGB X und § 74 zu unterliegen. § 62 SGB VII ist gegenüber § 48 SGB X lex specialis (BSG, Urteil v. 19.12.2013, B 2 U 1/13 R; BSG, Urteil v. 16.3.2010, B 2 U 2/09 R).
Rz. 8
Wird eine Rente erstmals später als 3 Jahre nach dem Versicherungsfall für eine zurückliegende begrenzte Zeit festgestellt, so hat der Versicherte keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als ob der Unfallversicherungsträger innerhalb von 3 Jahren nach dem Versicherungsfall eine vorläufige Entschädigung festgestellt hätte, die dann ggf. zu einer Rente auf unbestimmte Zeit geworden wäre. Der Unfallversicherungsträger kann jedoch bei erstmaliger Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit nach 3 Jahren diese für die Vergangenheit hinsichtlich der MdE zeitlich staffeln.
Rz. 9
Hat der Unfallversicherungsträger eine vorläufige Entschädigung festgestellt und eine Entscheidung über eine Rente auf unbestimmte Zeit innerhalb von 3 Jahren seit dem Versicherungsfall unterlassen, so verwandelt sich die vorläufige Entschädigung auch dann in eine Rente auf unbestimmte Zeit, wenn ein Anspruch auf Rente vom Zeitpunkt der Umwandlung an tatsächlich nicht besteht und schon die vorläufige Entschädigung nicht hätte geleistet werden dürfen. Das Gesetz nimmt hier im Interesse des Berechtigten, der auf den Bestand der ihm durch den Bescheid zugebilligten Rechtsstellung vertraut, eine Abweichung von der materiellen Rechtslage in Kauf (vgl. BSG, Urteil v. 21.3.1974, 8 RU 59/73, SozR 2200 Nr. 1 zu § 622). Will der Unfallversicherungsträger also die Wirkungen des § 62 Abs. 2 Satz 1 abwenden, muss er eine förmliche Entscheidung zur Rente auf unbestimmte Zeit treffen.
Für die Wahrung der 3-Jahres-Frist des § 62 Abs. 1 und Abs. 2 genügt es, dass die die Bewilligung der vorläufigen Entschädigung aufhebende Verfügung innerhalb dieses Zeitraums gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X durch Bekanntgabe wirksam wird, auch wenn ihre materiell-rechtlichen Wirkungen nach diesem Zeitraum eintreten (BSG, Urteil v. 19.12.2013, B 2 U 1/13 R). Das BSG widerspricht in seinem Urteil v. 19.12.2013 der insoweit abweichenden Rechtsauffassung des LSG Sachsen-Anhalt (Urteil v. 5.12.2012, L 6 U 32/10) und bestäti...