2.1.1 Leistungen im Überblick
Rz. 7
Abs. 1 Satz 1 stellt klar, dass die Hinterbliebenen einen eigenen Anspruch auf Leistungen haben. Denn Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen sind eigenständige Rechtsansprüche, die sich zwar vom Recht des Versicherten ableiten, aber hinsichtlich aller Voraussetzungen gesondert zu prüfen sind (st. Rechtsprechung des BSG, BSG, Urteil v. 10.8.2021, B 2 U 2/20 R, Rz. 27; so bereits auch BSG, Urteil v. 12.11.1970, 5 RKnU 23/68 noch zur Vorgängervorschrift in § 589 RVO; vgl. auch Hess. LSG, Urteil v. 28.6.2022, L 3 U 12/20, Rz. 23). Daher haben etwaige Bescheide über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, die gegenüber dem Versicherten ergangen sind, ihnen gegenüber keinerlei Bindungswirkung (Hess. LSG, Urteil v. 28.6.2022, L 3 U 12/20, Rz. 23). Dies gilt sowohl für Ablehnungs- als auch für Bewilligungsbescheide, mithin sowohl zugunsten als auch zulasten der Hinterbliebenen (BSG, Urteil v. 25.7.2001, B 8 KN 1/00 U R). Verwaltungen und Gerichte haben im Rahmen des Hinterbliebenenrentenanspruchs neu zu prüfen, ob bei dem verstorbenen Versicherten ein Versicherungsfall vorgelegen hat und er infolgedessen verstorben ist. Während die (Lebzeiten-)Rente Lohnersatzfunktion hat, sollen die Hinterbliebenenrenten an Witwen und Waisen an die Stelle des Unterhaltsanspruchs treten, den diese Personen vor dem Tod des Versicherten hatten.
Rz. 8
Die einzelnen Hinterbliebenenleistungen werden in Abs. 1 Satz 1 lediglich aufgezählt. Die Einzelregelungen sind in den §§ 64 bis 71 normiert.
2.1.2 Tod infolge eines Versicherungsfalls (Abs. 1 Satz 2)
2.1.2.1 Rechtlich wesentlicher Zusammenhang – Kausalität(en)
Rz. 9
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 – also bei Sterbegeld, Überführungskosten und Hinterbliebenenrenten – besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Den Begriff des Versicherungsfalles bestimmt insoweit näher § 7 Abs. 1; erfasst sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Der Tod muss daher infolge eines Arbeitsunfalls, eines Wegeunfalls oder einer Berufskrankheit eingetreten sein.
Rz. 10
Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tod des Versicherten (vgl. stellv. LSG Hamburg, Urteil v. 7.7.2021, L 2 U 19/21).
Rz. 11
§ 8 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, wann ein Arbeitsunfall vorliegt: Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Die Regelung beinhaltet damit auch die Legaldefinition des Begriffs der versicherten Tätigkeit.
Rz. 12
§ 9 Abs. 1 Satz bestimmt die anerkannten Berufskrankheiten: Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden.
Rz. 13
Der Eintritt eines Versicherungsfalles setzt in der gesetzlichen Unfallversicherung eine bestimmte Abfolge ursächlich miteinander verknüpfter Umstände und Ereignisse voraus. Erforderlich ist insoweit, dass es infolge der versicherten Tätigkeit zu einem Arbeitsunfall kommt, d. h., zu einem plötzlich auf den Körper einwirkenden Ereignis, das seinerseits zu einem unmittelbaren Gesundheitsschaden, dem sog. Primärschaden, führt; haftungsbegründende Kausalität. Sind hingegen die genannten Voraussetzungen für einen Versicherungsfall erfüllt, so sind unter den weiteren Erfordernissen der einzelnen Leistungsfälle als Folgeschäden auch solche Unfallfolgen zu entschädigen, die ihrerseits ursächlich auf die eingetretenen Primärschäden zurückzuführen sind; haftungsausfüllende Kausalität. Um einen Versicherungsfall feststellen und dem Versicherten darüber hinaus bestimmte Leistungen zusprechen zu können, muss das Gericht die anspruchsbegründenden Umstände und Ereignisse zur vollen Überzeugung, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, als zutreffend betrachten. Dies setzt eine so hohe Wahrscheinlichkeit voraus, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überblickender Mensch noch Zweifel hat und gilt insbesondere auch hinsichtlich des Unfallereignisses und seiner für die Beurteilung der Schadensursächlichkeit bedeutsamen Einzelheiten. Es bedarf insoweit des Vollbeweises, bei dem der Versicherte die materielle Beweislast trägt (vgl. instruktiv SG Osnabrück, Urteil v. 23.3.2023, S 17 U 220/21, Rz. 30 m. w. N. aus der gefestigten älteren Rechtsprechung des BSG).
Rz. 14
Zunächst ist also zu klären, ob der innere Zusammenhang zu einer versicherten Tätigkeit besteht oder ob der Betreffende etwa bei einer eigenwirtschaftlichen Betätigung zu Tode gekommen ist (vgl. Komm. zu § 8 Rz. 10 bis 15 sowie die Fallgruppen in Rz. 33 bis 117). Vielfach ist gerade dies klärungsbedürftig.
Rz. 15
Voraussetzung für den Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen ist also, dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Dies hat besondere Bedeutung bei der Prüfung, ob der Tod infolge einer Berufskrankheit eingetreten ist. Ob eine oder mehrere bestimmte Berufskrankheiten oder eine sog. "Wie-BK" nach der Öffnungsklausel des § 9 Ab...