1.1 Übergangsregelungen
Rz. 2
Die Vorschrift gilt auch für Versicherungsfälle, die vor dem Inkrafttreten des UVEG am 1.1.1997 eingetreten sind, wenn eine Rente erstmals nach dem 31.12.1996 festzustellen ist (vgl. zur Abgrenzung die Komm. zu § 214).
1.2 Inhalt der Regelung
Rz. 3
Abs. 1 regelt den Beginn der Renten an Versicherte und differenziert danach, ob zuvor ein Anspruch auf Verletztengeld bestand oder nicht bestand.
Rz. 4
Abs. 2 regelt den Beginn der Renten an Hinterbliebene.
Rz. 5
Abs. 3 enthält eine Ermächtigung für Satzungsregelungen hinsichtlich des Rentenbeginns für Unternehmer und deren mitarbeitende Ehegatten oder Lebenspartner (Letzteres eingeführt durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001, BGBl. I S. 266).
Rz. 6
Der durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz v. 21.3.2005 eingeführte Abs. 4 betraf landwirtschaftliche Unternehmer. Die Vorschrift wurde mit Wirkung zum 1.1.2008 aufgehoben durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung v. 8.12.2007. Eine umfassende Neuregelung für landwirtschaftliche Unternehmer enthält der zugleich in Kraft getretene § 80a.
1.3 Normzweck
Rz. 7
Die Regeln über den Leistungsbeginn von Renten nach Abs. 1 mit der Anknüpfung an das Verletztengeld dienen dazu, dass die Unfallversicherungsträger mit Beginn der beruflichen Rehabilitation Rente und Übergangsgeld zahlen können (BR-Drs. 263/95 S. 264 = BT-Drs. 13/2204 S. 93). Durch die Vorschrift des § 72 Abs. 1 Nr. 1 soll die nahtlose Zahlung von Verletztenrente im Anschluss an die Zahlung von Verletztengeld gewährleistet werden. Damit wird ein fortlaufender Ausgleich des unfallbedingten Schadens sichergestellt. Während das Verletztengeld den konkreten unfallbedingten Einkommensverlust bis zur möglichen Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ersetzen soll, wird die Verletztenrente zum Ausgleich des abstrakten Schadens aufgrund einer unfallbedingt geminderten Erwerbsfähigkeit und zur Kompensation immaterieller Schäden gewährt (instruktiv: Thüringer LSG, Urteil v. 24.3.2022, L 1 U 337/19, Rz. 35).
Rz. 8
Nach dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht hatten Versicherte, die aufgrund der Schwere ihrer Verletzung nicht mehr in der Lage waren, ihre bisherige Tätigkeit auszuüben, nach Abschluss der Heilbehandlung für die Zeit der anschließenden beruflichen Rehabilitation Übergangsgeld bezogen und erst im Anschluss daran einen Anspruch auf Rente erworben. Dies führte jedoch zu ungerechten Ergebnissen, da dieser Personenkreis durch die berufliche Rehabilitation lange Zeit auf das gegenüber dem Verletztengeld niedrigere Übergangsgeld angewiesen war und erst nach Abschluss der beruflichen Rehabilitation einen Anspruch auf Rente erwarb. Versicherte mit relativ geringen Verletzungsfolgen und verbleibender MdE hingegen wurden durch die frühere Regelung begünstigt. Sie wurden i. d. R. nach kurzer Zeit wieder arbeitsfähig und bezogen neben ihrem Verdienst frühzeitig die Rente.
Rz. 9
Abs. 2 Satz 2 führt das – auch aus dem Rentenrecht (vgl. hierzu ins. § 122 Abs. 1 SGB VI) bekannte – Monatsprinzip in das Recht der Unfallversicherung ein.
Rz. 10
Abs. 3 schließlich verschiebt den Rentenbeginn auf einen späteren Zeitpunkt.
1.4 Vorgängervorschriften
Rz. 11
Mit dem UVEG hat der Gesetzgeber die Vorschriften über den Beginn der Rente und das Ende des Verletztengeldes (§ 46 Abs. 3) neu strukturiert. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht; § 580 Abs. 2 bis 4, § 589 Abs. 1 Nr. 3, § 590 Abs. 4, § 592 Abs. 1 Satz 2, § 634, § 635 RVO (vgl. zur Zuordnung zum alten Recht auch BR-Drs. 263/95 S. 264 = BT-Drs. 13/2204 S. 93). Eine § 634 Abs. 3 RVO entsprechende Regelung, wonach Rente an versicherte Unternehmer aufgrund Satzungsbestimmung schon von dem Tag nach dem Arbeitsunfall gewährt werden konnte, ist entfallen.
1.5 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen
Rz. 12
Da § 72 die zentrale Vorschrift für die Bestimmung des Beginns der Renten im Unfallversicherungsrecht ist, enthalten alle in den vorangegangenen Vorschriften geregelten Hinterbliebenenrenten korrespondierende Regelungen, also § 65 (Witwen- und Witwerrente), § 66 (Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten), § 67 (Voraussetzungen der Waisenrente) und § 69 (Rente an Verwandte der aufsteigenden Linie). Außerdem gilt § 72 auch für die Witwer- und Witwenbeihilfen bzw. Waisenbeihilfe nach § 71.
1.6 Parallele Regelungen
Rz. 13
Parallele Regelungen finden sich insbesondere im Rentenrecht, und zwar in § 99 SGB VI (Beginn) und § 102 Abs. 1 und Abs. 2 (Beginn und Änderung in Sonderfällen). Die Regelungen bestimmen den allgemeinen Rentenbeginn einer Rente wegen Alters (§ 99 Abs. 1 SGB VI) und machen die Zahlung einer solchen von einer Antragstellung bis zum Ende des 3. Kalendermonats abhängig, zu dem die Voraussetzungen vorlagen. Hinterbliebenenrenten werden von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind (§ 99 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Beginn einer befristeten Erwerbsminderungsrente wird in § 101 Abs. 1 SGB VI, einer solchen auf befristete große Witwenre...