1.1 Übergangsregelungen
Rz. 2
§ 74 Abs. 2 ist auch bei Änderung von Renten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 bereits festgesetzt waren. Bei der fehlenden Erwähnung der Norm in § 214 Abs. 3 Satz 2 handelt es sich um ein Reaktionsversehen (SG Braunschweig, Urteil v. 24.1.2017, S 16 U 150/13, Rz. 23).
1.2 Inhalt der Regelung
Rz. 3
Die Vorschrift enthält eine Sonderbestimmung für die Änderung von Renten auf unbestimmte Zeit bzw. das Verbot von Neufestsetzungen dieser Renten während Zeiten, in denen Anspruch auf Verletztengeld besteht.
Rz. 4
Abs. 1 stellt klar, dass das sog. Schutzjahr nur für Änderungen der MdE zuungunsten des Versicherten eingreift.
Rz. 5
Abs. 2 beinhaltet das Verbot von Neufestsetzungen von Renten während Zeiten mit Anspruch auf Verletztengeld. Abweichend von der Vorgängerregelung kann auch während des Bezugs von Übergangsgeld eine Neufeststellung erfolgen. Dies ist sachgerecht, denn Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation haben auf die Höhe der MdE keinen Einfluss. Die Ergänzung in Abs. 2 hinsichtlich der Betriebs- und Haushaltshilfe berücksichtigt die Regelung des § 55 (vgl. insoweit auch die Gesetzesmotive BR-Drs. 263/95 S. 2656 = BT-Drs. 13/2204 S. 93).
1.3 Normzweck
Rz. 6
Die Vorschrift dient insgesamt dem Vertrauensschutz des Rentenbeziehers und sichert so dessen Lebensunterhalt und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Rz. 7
Nach dem Normzweck des Abs. 1 soll der Versicherte darauf vertrauen dürfen, dass kurzfristige Änderungen der Rente nicht eintreten, wenn sie durch einen zeitlich uneingeschränkten Bescheid bewilligt und längere Zeit hindurch gewährt wurde. Weil sich der Versicherte unter diesen Umständen auf einen gleichbleibenden Dauerzustand einrichten konnte, schützt ihn die Vorschrift insofern, als eine Änderung nur in Abständen von mindestens einem Jahr möglich ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.9.1970, 5 RKnU 18/69).
Rz. 8
Der Normzweck des Abs. 2 liegt in der Vermeidung von Doppelleistungen. Bei einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Versicherten soll eine doppelte Versorgung mit einer erhöhten Rente und dem Verletztengeld vermieden werden.
1.4 Vorgängervorschriften
Rz. 9
§ 74 entspricht im Wesentlichen dem bis zum 31.12.1996 geltenden Recht der § 622 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 RVO.
1.5 Ergänzende bzw. korrespondierende Regelungen
Rz. 10
Zentrale Bezugsnorm ist § 73, der die zentralen Regelungen über Änderungen und das Ende von Renten beinhaltet.
1.6 Parallele Regelungen
Rz. 11
Eine direkte rentenrechtliche Parallelvorschrift existiert nicht. Von der Intention der Regelung her ist § 74 allerdings vergleichbar mit den Regelungen in § 100 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI. Auch diese schützen das Vertrauen des Versicherten. Nach § 100 Abs. 3 Satz 2 SGB VI entfällt ein Anspruch auf Rente, weil sich die Erwerbsfähigkeit der Berechtigten nach einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gebessert hat. Zur Wahrung des Vertrauensschutzes endet die Rentenzahlung erst mit Beginn des 4. Kalendermonats nach der Besserung der Erwerbsfähigkeit.