Mit dem Wandel vom Verkäufermarkt zum Einkäufermarkt wird die Produkt- und Dienstleistungskalkulation vielfach nicht mehr durch das liefernde Unternehmen bestimmt. Der Käufer gibt einen Preis vor, den er bereit ist für die Ware, Dienstleistung zu zahlen. Auch bei der Entwicklung neuer Produkte stellt sich die Frage, welcher Marktpreis ist erzielbar und kann das Produkt oder die Dienstleistung zu diesem erzielbaren Preis hergestellt werden. Dies gilt einerseits für die Kalkulation von neuen Produkten für umkämpfte Märkte (Mobiltelefone, Laptops, Handys, MP-3-Player, Fernseher etc.), andererseits auch für Produkte auf "abgegrasten" Märkten. Die zentrale Frage ist: Können die Produkte überhaupt noch bei vertretbaren Kosten gefertigt werden.
3.3.1 Zielpreiskalkulation
Ein Instrument, das zur Lösung dieser Problematik entwickelt bzw. wiederentdeckt wurde, ist Target Costing (Zielpreiskalkulation). In der klassischen deutschen Betriebswirtschaftslehre gibt es das Instrument der retrograden Kalkulation (rückwärts gerichtete Kalkulation), die eine ähnliche Zielsetzung verfolgt und in Situationen eingesetzt wurde, wo die Konkurrenz mit einem niedrigeren Preis aus dem Markt "geboxt" werden sollte.
Der Ansatz des Target Costing geht darüber hinaus. Das hauptsächlich in Japan entwickelte Modell setzt bei der Neuproduktentwicklung an. Für jedes Neuprodukt gibt es in der Regel bereits ein mehr oder weniger entsprechendes Produkt auf dem Markt. Der Preis dieses Produktes und der mögliche Zusatznutzen – falls der Kunde bereit ist, diesen zu bezahlen – bestimmen den erzielbaren Marktpreis des Neuproduktes.
Computerarbeitsplätze oder Mobiltelefone sind Beispiele für Produkte, deren Funktionsumfang in den letzten Jahren immer größer wurde. Dagegen hat sich der Marktpreis nicht verändert oder ist eher gefallen. Der Kunde ist nicht bereit für den Zusatznutzen zu zahlen, erwartet ihn aber andererseits. Der Grundgedanke, der hinter dem Konzept des Target Costing steht, ist die Kundenorientierung. Welchen Preis ist der Kunde für einen bestimmten Nutzen bereit zu zahlen?
Dieses Instrument der Zielpreiskalkulation lässt sich in verschiedenen Bereichen anwenden:
- in der Auftragskalkulation,
- in der Produktentwicklung,
- in der Wertanalyse mit Lieferanten.
Es wird zwischen einem marktorientierten, einem ingenieurorientierten und einem produktionsorientierten Ansatz unterschieden. Ausgangspunkt ist in allen drei Varianten der am Markt aufgrund von Kundenwünschen möglicherweise erzielbare Preis (vgl. Abb. 6). Nach Abzug eines angestrebten Zielgewinns (Target Profit) oder Zieldeckungsbeitrags ergeben sich die erlaubten Kosten (Allowable Cost).
Abb. 6: Zielpreis und Zielkosten
Bei vorhandenen Produkten werden die vorhandenen Kosten den erlaubten Kosten gegenübergestellt, bei der Neuproduktentwicklung müssen die Kosten vorläufig geschätzt werden. Normalerweise werden diese Kosten zunächst höher sein als die erlaubten Kosten.
3.3.2 Marktorientierter Ansatz
Ausgangspunkt sind der bestehende Marktpreis eines Produktes oder die Kosten der Mitbewerber. Vom gegebenen Marktpreis wird der angestrebte Gewinn abgezogen und es ergeben sich die zulässigen Kosten. Gehen wir von den Kosten des Wettbewerbs aus, wird der Gewinn zu den vorgegebenen Kosten addiert und es ergibt sich der Zielpreis.
Dieses Verfahren funktioniert natürlich nur, wenn es im Markt vergleichbare Produkte gibt und der Markt transparent ist. Für Marktneuheiten und innovative Produkte ist dieser Ansatz eher ungeeignet. Diese Variante des Target Costing (Zielkostenrechnung) wird hauptsächlich für technische Gebrauchsprodukte wie PCs angewandt.
3.3.3 Ingenieurorientierter Ansatz
Bei dieser Variante wird das Target Costing (Zielkostenrechnung) mit der Produktionsplanung kombiniert. Das technologische Wissen wird einbezogen. Im Laufe der Produktentwicklung werden regelmäßig Schätzungen zur Überprüfung der Produktkosten vorgenommen. Das Ziel ist, zu einer kontinuierlichen Senkung der Produktionskosten zu kommen. Es handelt sich letztlich um eine Variante des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) oder KAIZEN. In kleinen Schritten werden die Kosten optimiert. Je weiter die Produktentwicklung fortschreitet, desto konkreter werden die Kostensenkungsmaßnahmen. Das Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis die Zielkosten erreicht sind und unter Einbeziehung des Zielgewinns ein am Markt durchsetzbarer Preis realisiert werden kann.
Der ingenieurorientierte Ansatz eignet sich, wenn keine Vergleichsprodukte am Markt existieren. Er setzt umfangreiche Kenntnisse über Produktionstechnik und Materialien voraus. Schwierig zu beantworten ist die Frage, wann die Kostensenkungspotenziale ausgeschöpft sind bzw. das Kostenniveau niedrig genug ist.
Um bereits in der Phase der Konstruktion aktives Kostenmanagement zu betreiben, bedarf es einer abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit von Konstruktion, Einkauf, Arbeitsvorbereitung, Produktion, Logistik, Vertrieb etc. Nur so können Sie mögliche Alternativen bereits im Vorfeld testen und die kostengünstigste und marktgerechteste Lösung finden. Ein gut...