OFD Frankfurt, Verfügung v. 6.6.2006, S 2299a A - 3 - St 216
Bezug: Rdvfg. vom 1.10.1997, S 2299a A – 3 – St II 27 (ESt-Kartei § 36 Karte 2).
1. Nachträgliche Vorlage der Bescheinigung über anrechenbare Körperschaftsteuer (Altfälle, bei denen der 4. Teil des Körperschaftssteuergesetztes nach § 34 Abs. 10a KStG i.d.F. des Art. 3 des Gesetzes vom 23.10.2000 (BGBl 2000 I S. 1433) noch anzuwenden ist).
2. Anrechnung von Kapitalertragsteuer bei nachträglich bekannt gewordenen, nicht den Sparer-Freibetrag und den Werbungskosten-Pauschbetrag übersteigenden Einkünften.
Zu 1: Nachträgliche Vorlage von Steuerbescheinigungen über Körperschaftsteuer (Altfälle)
Dividende als Einnahme i.S. des § 20 Abs. 1 EStG
Die Dividende ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erfassen. Maßgeblich hierfür ist der tatsächliche Zufluss der Gewinnausschüttung, der als ein Ereignis anzusehen ist, das bei Erlass des Steuerbescheids bereits vorhanden, dem FA aber noch nicht bekannt war. Die Steuerbescheinigung ist insoweit nur Beweismittel i.S. des § 173 AO.
Anrechenbare Körperschaftsteuer als Einnahme i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG
Die anrechenbare Körperschaftsteuer ist als Einnahme i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erfassen. Die Vorlage der Steuerbescheinigung ist insoweit materiell-rechtliche Voraussetzung für die Erfassung bei der Einkommensteuer-Festsetzung (und zugleich bei der Anrechnung nach § 36 EStG). Die nachträgliche Vorlage einer Steuerbescheinigung ist insoweit ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Die Einschränkung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO greift hierbei nicht
Legt der Steuerpflichtige die Steuerbescheinigung erst nach Erlass des Einkommenssteuerbescheids vor, ist die Änderung folglich nach dieser Vorschrift durchzuführen. Dabei beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerbescheinigung erst nach Aufdeckung einer verdeckten Gewinnausschüttung vorgelegt wird. Deshalb ist die Körperschaftsteuer nicht nur auf die Steuer des Anteilseigners anzurechnen, sondern kann auch als Einnahme aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfasst werden.
Zu 2: Nachträglich bekannt gewordene Kapitalerträge
Es stellt sich die Frage, wie in den Fällen zu verfahren ist, bei denen zwar nachträglich Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt/bekannt werden (z.B. im Rahmen einer Außenprüfung), eine Änderung des Einkommensteuerbescheids jedoch unterbleibt, da auch mit den nacherklärten Einkünften der Sparer-Freibetrag sowie der Werbungskosten-Pauschbetrag nicht überschritten werden.
Die Kapitalertragsteuer ist nur insoweit auf die Einkommensteuer anzurechnen, als sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Von einem „Erfassen” der Einnahmen bei der Veranlagung ist auch auszugehen, wenn diese nach Abzug des Sparer-Freibetrags und des Werbungskosten-Pauschbetrags im Ergebnis unbesteuert bleiben. Die nachträgliche Anrechnung der Kapitalertragsteuer scheidet jedoch aus, wenn die entsprechenden Kapitaleinkünfte wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr der Einkommensteuer unterworfen werden können.
Wenn Einkünfte aus Kapitalvermögen – wie oben dargestellt – im Ergebnis steuerfrei bleiben und daher eine Änderung der Steuerfestsetzung unterbleibt, weil sich weder die Höhe des zu versteuernden Einkommens noch die der festgesetzten Einkommensteuer ändern würde, wird gebeten die Auffassung zu vertreten, dass auch diese Einkünfte bei der Veranlagung erfasst sind, da es sich im Ergebnis auch hier um steuerpflichtige, jedoch durch den Sparer-Freibetrag und den Werbungskosten-Pauschbetrag freigestellte Einkünfte handelt. Somit ist auch die auf die nachträglich bekannt gewordenen Einkünfte entfallende Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer anzurechnen.
Die Anrechnungsverfügung ist ein selbstständiger Verwaltungsakt, der nach § 130 Abs. 1 AO zurückgenommen und danach mit anderen Beträgen neu erlassen werden kann. Die Korrektur der Anrechnungsverfügung ist an keine Frist gebunden, da der Zahlungsverjährung nur festgesetzte und fällig gestellte Ansprüche unterworfen sind (vgl. BFH-Urteil vom 18.7.2000, BStBl 2001 II S. 133).
Weitere Einzelheiten zur Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer auf die festgesetzte Einkommensteuer ergeben sich aus der AO-Kartei § 218 Abs. 2 AO Karte 1 N.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1
EStG § 36