Dipl.-Finw. (FH) Roland Ronig
10.1 Vermeidung der Doppelbesteuerung
Ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen liegen vor, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat oder das Kapitalvermögen durch ausländischen Grundbesitz gesichert ist. Bezieht der Anleger ausländische Kapitalerträge, sind diese häufig mit ausländischer Steuer belastet (Quellenbesteuerungsprinzip). Das Besteuerungsrecht steht aber bei Kapitaleinkünften regelmäßig dem Wohnsitzstaat zu (Welteinkommensprinzip). Durch die Anwendung der beiden Prinzipien kann es zu einer doppelten Besteuerung von Einkünften kommen.
Zum Ausgleich werden sie in der Bundesrepublik Deutschland nicht oder nur ermäßigt besteuert (Vermeidung der Doppelbesteuerung). Daher wurden mit vielen Staaten sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen.
Als Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung kommen insbesondere die Freistellungsmethode oder die Anrechnungsmethode in Betracht:
Freistellungsmethode: Hierbei handelt es sich um die Freistellung der ausländischen Einkünfte aus der deutschen Bemessungsgrundlage i. d. R. unter Anwendung des Progressionsvorbehalts.
Keine Anwendung bei Einkünften aus Kapitalvermögen
Die Freistellungsmethode ist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen regelmäßig nicht anwendbar.
Anrechnungsmethode: Hier erfolgt die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Steuer, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Die Anrechnungsmethode ist anzuwenden, wenn
- kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht,
- ein DBA besteht und das DBA die Anrechnung vorsieht.
10.2 Anrechnungsmethode für Kapitaleinkünfte
Bei der Anrechnungsmethode werden die ausländischen Einkünfte in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Einkommensteuer einbezogen. Die im ausländischen Staat erhobene Steuer kann auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden. Rechtsgrundlage ist § 32d Abs. 5 EStG. Die ausländische Steuer darf hierbei jedoch höchstens 25 % auf den einzelnen Kapitalertrag ausmachen, d. h., die Anrechnung ist auf die Höhe der inländischen Steuer begrenzt. Dies gilt auch für Erträge aus Investmentfonds.
Ausländische Kapitalerträge und Verlustverrechnung
Wenn die dem Quellensteuerabzug zugrunde liegenden ausländischen Kapitalerträge gem. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG mit inländischen Verlusten aus Kapitalvermögen zu verrechnen sind, kann es dazu kommen, dass ausländische Quellensteuerbeträge nicht auf die Einkommensteuer anrechenbar sind und verfallen. Dies ist europarechtskonform.
Besteht mit dem ausländischen Staat kein DBA und werden die ausländischen Kapitalerträge in dem Staat, aus dem die Kapitalerträge stammen, zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen, gelten bei der Anrechnung folgende Besonderheiten:
- Die ausländische Steuer muss festgesetzt, gezahlt und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzt werden.
- Ob die ausländische Steuer der deutschen Einkommensteuer entspricht, ergibt sich aus einer Auflistung in Anhang 12 II des EStH.
Besteht mit dem ausländischen Staat ein DBA, ergibt sich die Anrechnung der ausländischen Steuer aus § 32d Abs. 5 Satz 2 EStG.
Bei Einkünften aus Kapitalvermögen hat der Wohnsitzstaat regelmäßig das Besteuerungsrecht, während der Quellenstaat bei bestimmten Erträgen das Recht hat, eine auf einen bestimmten Prozentsatz begrenzte Quellensteuer zu erheben. Teilweise gewährt der ausländische Staat persönliche Freibeträge.
Ausländische Staaten behalten i. d. R. zuerst eine höhere Quellensteuer ein und vergüten später den zu viel einbehaltenen Betrag. Nach § 32d Abs. 5 EStG kann nach wie vor maximal der im DBA genannte Quellensteuersatz berücksichtigt werden. Die auf persönliche Freibeträge entfallende sowie die über die Höchstsätze hinaus erhobene Steuer wird auf Antrag vom ausländischen Staat erstattet. Es kommt nicht darauf an, ob der Erstattungsanspruch bei der zuständigen ausländischen Steuerbehörde tatsächlich geltend gemacht wird oder wegen Ablauf der Antragsfrist nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die um die Ermäßigungsansprüche gekürzte Quellensteuer kann dann bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden.
Anrechnung der Quellensteuer
Anleger A hat in 2024 aus seinem Schweizer Depot Zinsen und Dividenden von jeweils 1.000 EUR erhalten. Hierauf wurden in der Schweiz jeweils 350 EUR (35 %) Quellensteuern (Schweizer Verrechnungssteuer) einbehalten.
Nach Art. 10 DBA Schweiz hat diese lediglich ein Quellenbesteuerungsrecht für die Dividende i. H. v. 15 % (= 150 EUR). Für Zinsen hat die Schweiz nach den DBA-Regelungen kein Besteuerungsrecht.
In Deutschland dürfen maximal 150 EUR Quellensteuern angerechnet werden. Für die übrigen Beträge besteht ein Erstattungsanspruch in der Schweiz.
Erstattungsanspruch fristgerecht beantragen
Es muss darauf geachtet werden...