Leitsatz

1. Die Befugnis des Steuerentrichtungspflichtigen zur Anfechtung der eigenen Kapitalertragsteuer-Anmeldung besteht unabhängig von seinem Recht, gemäß § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG deren Änderung zu beantragen, wenn er Kapitalertragsteuer einbehalten oder abgeführt hat, obwohl eine Verpflichtung hierzu nicht bestand.

2. § 20 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UmwStG 2006 erfassen bei der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft auch den Fall einer im Rückwirkungszeitraum beschlossenen und vollzogenen "offenen Gewinnausschüttung" der übernehmenden Gesellschaft an den sein Einzelunternehmen einbringenden Gesellschafter.

 

Normenkette

§ 20 UmwStG, § 20 Abs. 5 UmwStG 2006, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 und Abs. 2, § 44b Abs. 5 Satz 1, § 45a EStG, § 164 Abs. 2, § 168 Satz 1 AO, § 123 Abs. 3 Nr. 2, §§ 152 ff. UmwG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, die durch Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2, §§ 152ff. UmwG als übernehmende Rechtsträgerin im Streitjahr 2016 entstanden ist. Der notarielle Ausgliederungsvertrag und der Gesellschaftsvertrag der Klägerin datieren vom 29.8.2016. Sie wurde am 31.8.2016 im Handelsregister eingetragen. Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin war C, der sein zuvor unter der Firma "P" geführtes Einzelunternehmen ausgliederte und mit steuerlicher Rückwirkung zum 2.1.2016 in die neu gegründete Klägerin zu Buchwerten einbrachte. Das Einzelunternehmen wurde am 31.8.2016 im Handelsregister gelöscht.

Bereits am 25.8.2016 fasste C als Alleingesellschafter der Klägerin einen "Gesellschafterbeschluss" über eine "Gewinnausschüttung" von 100.000 EUR. Ebenfalls am 25.8.2016 überwies er 73.625 EUR vom betrieblichen Konto auf sein Privatkonto.

Am 2.9.2016 reichte die Klägerin eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung zum 25.8.2016 beim FA ein. Als Datum des Gewinnverteilungsbeschlusses und als Tag der Auszahlung gab sie in dieser Anmeldung den 25.8.2016, als Ausschüttungsbetrag 100.000 EUR an. Hiervon ausgehend ermittelte sie die Kapitalertragsteuer (25.000 EUR) und den Solidaritätszuschlag (1.375 EUR). Mit Schreiben vom 19.9.2016 legte die Klägerin gegen ihre eigene Kapitalertragsteuer-Anmeldung zum 25.8.2016 Einspruch ein und beantragte die Aufhebung und Rückerstattung der festgesetzten Kapitalertragsteuer einschließlich Solidaritätszu­schlags.

Das FA wies den Einspruch zurück. Die Kapitalertragsteuer-Festsetzung sei rechtmäßig, da eine kapitalertragsteuerpflichtige Gewinnausschüttung erfolgt sei. Das FA stellte hierbei jedoch nicht auf die angemeldete "Ausschüttung" über 100.000 EUR vom 25.8.2016, sondern auf die "Weiterausschüttung" einer Ausschüttung ab, die C am 24.8.2016 noch im Einzelunternehmen von der D-GmbH erhalten habe und die infolge der steuerlichen Rückwirkung der Ausgliederung nunmehr als Ausschüttung der Klägerin zu beurteilen sei.

Das FG gab der Klage statt (FG Münster, Urteil vom 11.10.2019, 10 K 2506/17 Kap, Haufe-Index 13582133).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA nach § 126a FGO als unbegründet zurückgewiesen. Er hielt die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

 

Hinweis

1. Die Klägerin war als Steuerentrichtungspflichtige berechtigt, ihre eigene Kapitalertragsteuer-Anmeldung als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 Satz 1 AO) mit dem Einspruch und der Klage anzufechten und auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Die Befugnis zur Anfechtung besteht unabhängig von dem Recht des Steuerentrichtungspflichtigen, die Änderung der eigenen Steueranmeldung zu beantragen, wenn er Kapitalertragsteuer einbehalten oder abgeführt hat, obwohl eine Verpflichtung hierzu nicht bestand (vgl. § 44b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Denn nur die Anfechtung der Steueranmeldung eröffnet ihm die Möglichkeit, die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Steuerfestsetzung zu beantragen.

2. Die Kapitalertragsteuer-Anmeldung ist sachverhaltsbezogen. Die zwischen den Beteiligten im Streit stehende Kapitalertragsteuer-Festsetzung vom 2.9.2016 umfasst danach nur die (vermeintliche) Gewinnausschüttung vom 25.8.2016 über 100.000 EUR. Die vom FA im Einspruchsverfahren geltend gemachte Kapitalertragsteuerpflicht für die "Weiterausschüttung" war nicht Gegenstand der angefochtenen Anmeldung, da es sich im Verhältnis zur angemeldeten "Ausschüttung" vom 25.8.2016 nicht um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handelt.

3. Materiell-rechtlich war die Kapitalertragsteuer-Festsetzung aufzuheben, weil ihr kein steuerbarer Kapitalertrag i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugrunde lag. Die beschlossene "Gewinnausschüttung" war nach § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG 2006 steuerlich als Entnahme zu beurteilen, da sie innerhalb des Rückwirkungszeitraums ausgezahlt wurde.

4. Wird ein Betrieb im Wege der Sacheinlage (hier: Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) nach den Regelungen des § 20 UmwStG in eine Kapitalgesellschaft als übernehmende ...

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