Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Kapitalversicherungen mit Sparanteil können in vielen Ausgestaltungen auftreten. Auf dem Versicherungsmarkt sind insbesondere die nachfolgenden Formen geläufig:
3.5.1 Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall (klassische Kapital-Lebensversicherung)
Bei einer Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall leistet der Versicherer, wenn die versicherte Person den im Versicherungsschein genannten Auszahlungstermin erlebt oder wenn die versicherte Person vor dem Auszahlungstermin verstirbt. Die Leistung im Todesfall unterliegt nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
"Gebrauchte" Lebensversicherungen
Durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften sind in § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG die Sätze 7 und 8 eingefügt worden. Mit der Neuregelung wird der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und den Aufwendungen für den Erwerb und Erhalt des Versicherungsanspruchs auch bei Eintritt des versicherten Risikos (z. B. bei Tod des Versicherten) steuerpflichtig. Die Regelungen über den Ansatz des hälftigen Unterschiedsbetrags sind in diesen Fällen nicht anzuwenden.
Zwar ist im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung der Bezug der Versicherungssumme bei Eintritt des versicherten Risikos grundsätzlich nicht steuerpflichtig. Steuerpflichtig ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG nur die Versicherungsleistung im Erlebensfall. Für eine solche Differenzierung besteht bei Vereinnahmung der Versicherungsleistung durch den Erwerber einer "gebrauchten" Lebensversicherung allerdings kein Grund, da es an der Absicherung gegen die Ungewissheit eines biometrischen Risikos fehlt.
Ausgenommen hiervon sind Fälle, in denen die versicherte Person selbst (z. B. ein Arbeitnehmer) die Ansprüche von einem Dritten (z. B. Arbeitgeber) erwirbt (z. B. bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses). Die Steuerpflicht greift ebenfalls nicht, wenn aus anderen Rechtsverhältnissen entstandene Abfindungs- und Ausgleichsansprüche arbeitsrechtlicher, erbrechtlicher oder familienrechtlicher Art (Scheidung, Auseinandersetzung eines Nachlasses) durch Übertragung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen erfüllt werden.
Die Neuregelung ist auf Versicherungsleistungen anzuwenden, die aufgrund eines nach dem 31.12.2014 eingetretenen Versicherungsfalls ausgezahlt werden.
Die Ausgestaltung des Vertrags mit oder ohne Rentenwahlrecht gegen Einmalbeitrag oder laufende Beitragszahlung hat keinen Einfluss auf die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Wird bei einer Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht für die Rentenzahlung optiert, liegt in der Ausübung der Renten-Option eine Verfügung über die auszahlbare Versicherungsleistung, die einen Zufluss begründet. Für die Verrentung steht lediglich das nach Abzug der Kapitalertragsteuer vorhandene Kapital zur Verfügung. Folglich muss der Unterschiedsbetrag zwischen Versicherungsleistung und eingezahlten Beiträgen ermittelt und versteuert werden. Von diesem Unterschiedsbetrag behält das Versicherungsunternehmen die Kapitalertragsteuer von 25 % ein. Die anschließenden Rentenzahlungen gehören zu den Einnahmen aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG.
3.5.2 Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung
Bei dieser Versicherungsform wird neben den Beitragsbestandteilen für die Abdeckung des Unfallrisikos sowie des Risikos der Beitragsrückzahlung im Todesfall und der Verwaltungskosten vom Versicherungsnehmer ein Sparanteil erbracht, der verzinslich bzw. rentierlich angelegt wird. Die Versicherungsleistung bei Ablauf der Versicherungslaufzeit gehört zu den Einnahmen aus § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG, nicht aber die Versicherungsleistung bei Eintritt des versicherten Risikos. Wenn die Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung als Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht abgeschlossen wird, sind die für "Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht" geltenden Regelungen entsprechend anzuwenden.
3.5.3 Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall zweier oder mehrerer Personen (Kapitalversicherung auf verbundene Leben)
Erleben beide bzw. alle versicherten Personen den im Versicherungsschein genannten Ablauftermin, ist die Erlebensfallleistung vom Versicherungsunternehmen zu erbringen. Diese Ablaufleistung ist bei einem Neuvertrag einkommensteuerpflichtig. Bei jedem Beteiligten ist gesondert zu prüfen, inwieweit er in seiner Person den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 bzw. Satz 2...