Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Willner, Joachim Kuhni
Zusammenfassung
Eine Buchführung, die der Besteuerung zugrunde gelegt werden soll, muss sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen erfüllen. Ein ganz wesentlicher Anteil an der Buchführung hat die Kassenführung. Insbesondere bei Unternehmen mit erheblichem Bargeldverkehr können die Kassenbewegungen einen überwiegenden Teil der Buchführung ausmachen. Festgestellte Mängel in der Kassenführung wirken sich somit entscheidend auf die Gesamtbeurteilung einer Buchführung aus. Friseurbetriebe und mit den Friseuren vergleichbare Handwerks- oder Dienstleistungsunternehmen machen da keine Ausnahme. Dieser Beitrag informiert über alle Besonderheiten, die bei diesen Unternehmen berücksichtigt werden müssen.
§§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB)
§§ 140 ff. AO (insbes. §§ 146, 146a, 146b, 147 AO) und § 158 AO
Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu §§ 140 ff. und § 158
§ 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) i. V. m. § 63 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV)
Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (GSchuMadiG) v. 22.12.2016 ("Kassengesetz")
BMF, Schreiben v. 26.11.2010, IV A 4 – S 0316/08/10004-07 (Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften)
BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003:001 (GoBD – Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff)
Kassensicherungsverordnung v. 26.9.2017 (KassenSichV – Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr) i. d. F. v. 30.7.2021
BMF, Schreiben v. 30.6.2020, III C 2 – S 7030/20/10009 :004 (Befristete Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Umsatzsteuersatzes zum 1.7.2020)
BFH, Urteil v. 12.5.1966, IV 472/60
BFH, Urteil v. 26.2.2004, XI R 25/02
BFH, Beschluss v. 12.7.2017, X B 16/17 (nv)
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.8.2011, 2 K 1277/10
1 Die ordnungsgemäße formelle und materielle Kassenführung bei Friseurbetrieben und Co.
Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) und Zertifikat:
Seit 1.4.2021 dürfen nur noch Kassen mit sog. TSE-Zertifizierung verwendet werden. Auch eine Nachrüstung alter Kassen musste bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführt worden sein. Nicht nachrüstbare Kassen, welche nach dem 25.11. 2010 und vor dem 1.1.2020 angeschafft wurden, durften bis zum 31.12.2022 weiter genutzt werden. Weitere Voraussetzung war, dass diese Kassen die "Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26.11.2010 erfüllten" (= Einzelspeicherung der Beträge, keine Verdichtungen). Mitteilungspflicht: Die Mitteilungspflicht, wonach TSE-Kassen beim Finanzamt (auf elektronischem Wege ggf. per Elster) angemeldet werden müssen bleibt weiterhin ausgesetzt.
Die Kassenführung von Friseurbetrieben und mit den Friseuren vergleichbare Handwerks- oder Dienstleistungsunternehmen muss formelle und materielle Voraussetzungen erfüllen.
Eine nicht zutreffende Anwendungsvorschrift oder die unzutreffende Auslegung einer Vorschrift kann bereits zu gewichtigen Mängeln führen, auch wenn diese nur von formeller Natur sind. Steuerliche Folgen sind nicht ausgeschlossen. Ist ein Betriebsprüfer nämlich der Auffassung, dass die zunächst als formell eingestuften Mängel so gewichtig sind, dass auch die materielle Richtigkeit der Kassenführung infrage zu stellen ist, kann das sogar zur Verwerfung einer Buchführung führen. Die Folgen sind oft unabsehbar. Kommt es gar zu einer steuerlichen Hinzuschätzung von Einnahmen wird der Prüfer mangels verwertbarer Nachweise auf externe Vergleichsdaten zurückgreifen. Auch wenn der Prüfer angehalten ist, die Besteuerungsgrundlagen so realitätsnah wie möglich zu ermitteln, kann eine der Höhe nach ungerechtfertigte Schätzung im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden.
Die Verantwortung für seine Buchführung trägt immer der Unternehmer. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass gerade handwerkliche Betriebe, wie Friseure, Kosmetik- oder Tattoostudios u. a. mit den kassenrechtlichen Vorschriften des Öfteren ziemlich "großzügig"verfahren sind – standen doch beim Thema Kasse und Bareinnahmen meist Betriebe aus der Gastronomiebranche im Fokus.
2 Manipulationssoftware für Friseure
Erst mit der Enttarnung von Manipulationssoftware, die eigens für Zwecke von Friseurbetrieben entwickelt wurde, rückte auch das Friseurgewerbe mehr und mehr in den Fokus der Finanzbehörden. Bedienerfreundliche und speziell auf das Friseurgewerbe zugeschnittene Programme versprachen dem Unternehmer nachträgliche Einnahmekorrekturen, die angeblich nicht mehr im System erkannt werden können. Ein verlockendes Angebot, dem viele nicht widerstehen konnten.
Die Idee war, sämtliche erbrachten Leistungen im Beisein der Kundschaft konsequent in die Registrierkasse einzutippen. Auch manch kritischem Blick seiner Angestellten konnte der vermeintlich ehrliche Geschäftsmann so unbesorgt begegnen. Gleichzeitig wurde das verbreitete Vorurteil ausgeräumt: Die selbst erbrachten Bedienungen der Che...