EuGH-Urteil Talacre: Zumindest für bestimmte Konstellationen im Zusammenhang mit der Lieferung von Neubauten oder Baugrundstücken wäre zu überlegen, ob nach den Ausführungen des EuGH im Urteil ‚Talacre Beach’ vom 7.6.2006 doch eine Aufteilung des Umsatzes in steuerfreie Bestandteile und steuerpflichtige Bestandteile zu erfolgen hat. In diesem Urteil hatte der EuGH festgestellt, die Anwendung zweier unterschiedlicher Steuersätze auf einen einheitlichen Steuersatz sei in der Sondersituation, zu der er befragt wurde, möglich. Er betonte zwar, dass hiermit keine generelle Abkehr von den Grundsätzen der einheitlichen Leistungen zu sehen sei. Die Sonderregelungen in Art. 28 der 6. MwSt-Richtlinie, die diesem Fall zugrunde lagen, stünden aber außerhalb des harmonisierten Rahmens und wichen von den grundlegenden Vorgaben der Richtlinie ab. Deshalb werde die Reichweite der durch diese Bestimmung vorgesehenen Ausnahme auf das beschränkt, was nach nationalem Recht bei Inkrafttreten dieser Vorschrift ausdrücklich vorgesehen war.
Nicht harmonisierte Steuerbefreiung auch bei Grundstückslieferungen: Diese Gedanken könnten theoretisch auch auf die vorliegenden Konstellationen übertragen werden. Würde z.B. ein Neubau-Gebäudegrundstück (d.h. GuB mit einem aufstehenden, fest mit dem GuB verbundenen, neu errichteten Gebäude) geliefert, wäre diese Lieferung gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit würde neben dem GuB und dem Gebäude (samt seinen wesentlichen Bestandteilen) auch Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen umfassen, die auf Dauer in dem Gebäude installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude zu zerstören oder zu verändern (s. oben V.2.a.). Insoweit weicht die nationale Rechtslage aufgrund der Ermächtigung des Art. 371 MwStSystRL vom Unionsrecht ab, das die Lieferung von Neubauten als steuerpflichtig ansieht (s. oben II.1.).
Ausweitung der nicht harmonisierten Steuerbefreiung: Würden zusätzlich zum Gebäude Gegenstände übertragen, die nicht zum Gebäude gehören (z.B. eine auf dem Dach montierte Photovoltaik- bzw. Solaranlage), läge zwar ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang vor, d.h. die Übertragung der Anlagen wäre im Prinzip als Nebenleistung mehrwertsteuerlich so zu behandeln, wie die steuerfreie Übertragung von GuB und Gebäude (s. oben V.1.). Dann würde aber aufgrund der Sonderregelung des Art. 371 MwStSystRL (die außerhalb des harmonisierten Rahmens der MwSt steht) auch die Übertragung von Gegenständen von der Steuerbefreiung erfasst, die nach dem System der harmonisierten MwSt für sich genommen nicht steuerfrei sein sollen.
Übertragung zwar denkbar ...: Soll also auch in diesem Fall eine Ausweitung der Ausnahmeregelung vermieden werden, könnte das dafür sprechen, dass die Übertragung der Anlagen gem. den Grundsätzen des Talacre-Urteils als steuerpflichtig anzusehen wäre.
... aber fraglich, ob tatsächlich vergleichbar: Ob eine Anwendung dieser Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall zulässig oder geboten wäre, kann wohl letztendlich allein der EuGH entscheiden. Schließlich war ein zentraler Grund für die gesonderte Behandlung zweier Bestandteile einer einheitlichen Leistung im Talacre-Urteil, dass nur durch eine solche Besteuerung die Voraussetzungen erfüllt werden konnten, die Art. 28 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie für die Rückerstattung der gezahlten Steuer aufstellt. Es ging also um eine sehr spezielle Konstellation, deren Ziel "nur durch eine solche Besteuerung" erreicht werden konnte. Im Fall der Lieferung eines Gebäudegrundstücks mit VuM, die nicht zum Grundstück gehören, ist u.E. zweifelhaft, ob das auch der Fall ist, selbst wenn diese Lieferung – abweichend vom Unionsrecht – als steuerfrei behandelt werden kann.