Leitsatz
1. Die Eingliederung der Zolltarifsachen in das allgemeine Revisionssystem durch die FGO-Novelle zum 1. Januar 2001 macht es erforderlich, dass auch bei Zolltarifsachen die grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt werden muss.
2. Auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung in Zolltarifsachen kann insoweit verzichtet werden, als diese unter den Umständen des konkreten Streitfalls offenkundig ist. Ist eine vZTA erfolgreich angefochten worden und hat das FG die Zollbehörde zu einer anderweitigen Einreihung der Ware verpflichtet, so werden in der auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Nichtzulassungsbeschwerde Ausführungen hinsichtlich der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, zur über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Tarifierungsfrage und zu ihrer Entscheidungserheblichkeit in einem künftigen Revisionsverfahren regelmäßig verzichtbar sein. Nicht verzichtbar sind hingegen im Einklang mit den allgemein gestellten Darlegungsanforderungen Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der zutreffenden Einreihung der betreffenden Ware in den Zolltarif.
Normenkette
§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO , § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO , Art. 12 Abs. 2 ZK
Sachverhalt
Die Zollbehörde hatte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft erteilt. Das FG hob die Auskunft auf und verpflichtete, die Waren anders in die Nomenklatur einzureihen. Die Behörde erhob wegen Nichtzulassung der Revision in dem FG-Urteil Beschwerde und trug im Wesentlichen nur vor, das Urteil sei falsch.
Entscheidung
Der BFH hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO begründet sei.
Zwar könne auf eine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ausnahmsweise insoweit verzichtet werden, als diese offenkundig ist. Dies sei bei Anfechtung einer Zolltarifauskunft wegen angeblich falscher Tarifauffassung der Zollverwaltung bei einer Nichtzulassungsbeschwerde der Zollbehörde regelmäßig der Fall.
Deshalb müsse die klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht in der Beschwerdebegründung formuliert werden (denn es sei offensichtlich, dass diese Frage nur dahin gehen könne, ob das Tarifierungsergebnis richtig ist) und die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtsfrage nicht dargelegt werden (denn eine Tarifauskunft habe wegen ihrer Bindungswirkung immer allgemeine Bedeutung). Unverzichtbar sei hingegen ein Eingehen auf die Tarifierungsfrage.
Der BFH verlangt, dass der Beschwerdeführer unter Heranziehung der Literatur und Rechtsprechung sowie ggf. von Avisen, Erläuterungen u.a. und der Tarifdatenbanken der Gemeinschaft sich mit der Tarifauffassung des FG kritisch auseinandersetzt.
Hinweis
1. Die zulassungsfreie Revision wegen schwerer Verfahrensfehler und in Zolltarifsachen – § 116 FGO a.F. – ist seit 1.1.2001 abgeschafft (ebenso die Streitwertrevision). Es gibt beim BFH also nur noch eine reine Zulassungsrevision.
2. Die Zulassungsgründe – § 115 Abs. 2 FGO – sind zugleich neu gefasst worden, nach der Intention des Gesetzgebers, um den Zugang zum BFH weiter als bisher zu öffnen. Im Gesetzestext findet dies freilich nur sehr unzureichend Niederschlag; wie die Rechtsprechung die Absichten des Gesetzgebers bei der künftigen Handhabung des § 115 Abs. 2 FGO berücksichtigt und ob sie diese überhaupt hinreichend zur Kenntnis nimmt, ist vorerst offen.
3. Die Zulassungsgründe sind jedoch im Kern gleich geblieben; alte Rechtsprechung und Literatur insbesondere zum Begriff der grundsätzlichen Bedeutung und zu den Verfahrensfehlern ist grundsätzlich zu beachten.
4. Die in der Besprechungsentscheidung aufgestellten Rechtsgrundsätze entsprechen der herkömmlichen Rechtsprechung des BFH. Zulassungsvoraussetzungen können unter Umständen so offenkundig sein, dass man vernünftigerweise nicht verlangen kann, dass sie in der Beschwerdebegründung ausdrücklich aufgeführt ("dargelegt") werden. Das kann sogar den Verzicht auf die Bezeichnung der klärungsbedürftigen Rechtsfrage rechtfertigen, nämlich dann, wenn in der Rechtssache überhaupt nur eine einzige Frage zu beantworten ist.
Wenn Sie als Prozessvertreter eine Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen haben, sollten Sie sich auf diese Rechtsprechung in keinem Fall verlassen; lieber einige überflüssige Worte als ein Wort zu wenig! Denn die Praxis der Senate ist uneinheitlich und der Begriff dafür, was offenkundig und folglich nicht darlegungsbedürftig ist, durchaus unterschiedlich.
5. Beachten Sie auch, dass sie in einer Nichtzulassungsbeschwerde stets die Klärungsbedürftigkeit der von Ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage darlegen, also erläutern müssen, warum die Frage nicht ohne weiteres anhand des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann. Dabei haben Sie es leicht, wenn Sie sich auf divergierende Auffassungen im Schrifttum oder in der Rechtsprechung berufen können; anderenfalls müssen Sie mit eigenen Überlegungen verdeutlichen, warum die Rechtsfrage zweifelhaft ist. Die Besprechungsentscheidung stellt insofern (außergewöhnlich) hohe Anforderungen.
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