Leitsatz
1. Die Hinzurechnung von nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren steuerfreien Einkünften zur Bemessungsgrundlage der in Baden-Württemberg erhobenen KiSt gem. § 5 Abs. 2 KiStG BW i.V.m. § 51a Abs. 2 S. 2 EStG kann nicht durch Verrechnung mit im betreffenden VZ nicht verbrauchten Verlustvorträgen neutralisiert werden.
2. Das Fehlen einer Verrechnungsmöglichkeit verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Normenkette
§ 51a Abs. 2 S. 2, § 3 Nr. 40, § 10d EStG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 KiStG BW, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Kläger sind zusammen zur ESt veranlagte Eheleute, die der Evangelischen Landeskirche in Baden angehören.
Im Rahmen der Veranlagung zur ESt ermittelte das FA einen Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 1 121 426 EUR. Dazu gehörten gewerbliche Einkünfte, bei deren Ermittlung nach dem sog. Halbeinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG ein Betrag i.H.v. 1 796 222 EUR unberücksichtigt geblieben war. Nach Verrechnung mit den zum 31.12.2002 gesondert festgestellten Verlustabzügen und nach Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ergab sich ein negatives zu versteuerndes Einkommen von ./. 37 818 EUR, sodass das FA die ESt auf 0 EUR festsetzte.
Die KiSt setzte das FA auf 66 647,04 EUR fest. Dabei rechnete es unter Berufung auf § 51a Abs. 2 S. 2 EStG dem Betrag des zu versteuernden Einkommens jenen Betrag von 1 796 222 EUR hinzu, der bei der Ermittlung der Einkünfte gem. § 3 Nr. 40 EStG als steuerfrei unberücksichtigt geblieben war. Auf diese Weise errechnete das FA eine fiktive ESt von 833 088 EUR als Bemessungsgrundlage für die KiSt.
Die gegen die Festsetzung der KiSt erhobene Klage hat das FG abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2008, 3 K 148/05, Haufe-Index 2036915, EFG 2008, 1908).
Entscheidung
Das hat der BFH bestätigt: Für eine "Verschonung" des Steuerpflichtigen von einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Gewinn und Dividende gebe es für die KiSt kein Grund. Folglich sei es gerechtfertigt, die KiSt-Bemessungsgrundlage von dem sog. Halbeinkünfteverfahren auszunehmen. Dieses Ergebnis lasse sich auch nicht durch vorgetragene Verluste ausgleichen; § 10d EStG sei auf Zuschlagsteuern zur ESt unanwendbar.
Hinweis
Es handelt sich um eine durchaus wichtige, weil "kostenträchtige" Entscheidung des BFH zur KiSt als sog. Annexsteuer:
1. Gem. § 51a Abs. 2 S. 1 EStG ist Bemessungsgrundlage für die Zuschlagsteuern die ESt unter Berücksichtigung bestimmter Freibeträge. In § 51a Abs. 2 S. 2 EStG heißt es sodann u.a., dass das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Beträge zu erhöhen ist.
Zweck dieser eingeschränkten Bestimmung ist es, die mit dem (früheren) sog. Halb- und (jetzigen) Teileinkünfteverfahren verbundenen Auswirkungen auf die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage insbesondere der KiSt zu neutralisieren. Das Erfordernis einer solchen Neutralisierung bei der Bemessung der KiSt beruht auf dem Gedanken, dass die Freistellung der Hälfte (bzw. von 60 %) der in § 3 Nr. 40 EStG aufgeführten Einkünfte für die ESt die wirtschaftliche Doppelbesteuerung des Gewinns der ausschüttenden Kapitalgesellschaft einerseits und der Dividende beim Anteilseigner typisierend vermeiden soll.
An einem vergleichbaren Grund für eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage auch für die KiSt fehlt es jedoch, weil die Erträge von Kapitalgesellschaften nicht der KiSt unterliegen. Es droht insoweit also keine wirtschaftliche Doppelbesteuerung.
2. Das Ganze wäre nun nicht gar so "tragisch" ließen sich die hinzugerechneten "Halb- bzw. Teileinkünfte" kurzerhand mit nicht verbrauchten Verlustvorträgen ausgleichen. Dieser "Ausweg" gelingt indessen nicht:
Verlustvorträge gem. § 10d EStG verringern die Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern nur insoweit, als sie mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet werden und damit das nach § 2 Abs. 5 EStG zu versteuernde Einkommen als Ausgangsgröße der Berechnung der Zuschlagsteuern gem. § 51a Abs. 2 EStG mindern. Eine weitergehende Verwendung von Verlustvorträgen für Zwecke der Zuschlagsteuern sieht das Gesetz nicht vor. Das "greift" dann auch bei den besagten Halbeinkünften.
Irgendwelche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Rechtsbefund hat der BFH zu Recht nicht: Letztlich verschiebt die "gestreckte" Verlustabzugsmöglichkeit nur den Zeitpunkt der Verlustinanspruchnahme und trägt damit dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung Rechnung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 01.07. 2009 – I R 76/08