Leitsatz
Der im Inland wohnhafte Vater des in Ungarn bei seiner Mutter lebenden, nicht volljährigen Kindes hat gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG keinen Anspruch auf deutsches Kindergeld, wenn die Mutter aufgrund ihres Wohnsitzes in Ungarn Familienleistungen erhält. Dem steht vorrangiges Unionsrecht nicht entgegen, wenn der Wohnort des Kindes über die Leistungspflicht entscheidet, nach dem der Leistungsanspruch in beiden Ländern nur durch den Wohnsitz ausgelöst wird.
Sachverhalt
Der Kläger ist Deutscher und arbeitet seit 1.1.2010 in Deutschland. Die ungarische Mutter des Kindes, war ebenfalls in Deutschland beschäftigt und bezog bis einschließlich 30.11.2010 deutsches Kindergeld. Nachdem die Mutter mit der Tochter nach Ungarn umgezogen war, bezog sie ab 1.12.2010 in Ungarn ein "child benefit" von ca. 48 EUR und ein "child care aid" von ca. 100 EUR monatlich. Den Antrag des Klägers auf Zahlung von Kindergeld für die Tochter lehnte die Familienkasse (FK) mit der Begründung ab, dass die Kindsmutter die Tochter in ihren Haushalt aufgenommen habe und der Anspruch des Klägers somit nachrangig sei. Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, dass er in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei, und daher Anspruch auf das Kindergeld in Deutschland habe. Der deutsche Kindergeldanspruch sei aufgrund seiner Beschäftigung in Deutschland vorrangig vor der durch den Wohnort ausgelösten ungarischen Familienzulage ("családi potlék") der Mutter.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Obwohl die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch des Klägers für seine Tochter nach deutschem Kindergeldrecht gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich vorliegen, wird gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch Kindergeld nicht für Kinder gezahlt, für die ein Anspruch auf Kindergeld im Ausland besteht. Da die Kindsmutter für die Tochter des Klägers "child benefit" bezog, und dieses eine mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung darstellt, steht dem Kläger kein Kindergeld zu. Die in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG getroffene Regelung wird im Streitfall auch nicht durch vorrangiges EU-Recht verdrängt, da auch gemäß Art. 68 Abs. 2 letzter Halbsatz der EG-VO Nr. 883/2004 kein Anspruch des Klägers in Deutschland auf das Kindergeld besteht. Wird -wie im Streitfall- der Leistungsanspruch im nachrangig zuständigen Inland durch den Wohnort des Kindergeldberechtigten ausgelöst, scheidet gem. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz EG-VO Nr. 883/2004 auch die Zahlung eines Differenzkindergeldes aus.
Hinweis
Die vom FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 43/12 geführt. In vergleichbaren Fällen sollte daher das Verfahren durch einen Einspruch offen gehalten werden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 07.08.2012, 12 K 1488/11