Leitsatz
Aus dem früheren Jugoslawien stammende, geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer, für die der Arbeitgeber pauschale Sozialversicherungsbeiträge abführt, haben keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl II 1969, 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 (BGBl II 1975, 390)
Normenkette
§ 62 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Die aus dem früheren Jugoslawien stammende Klägerin hielt sich seit 1991 geduldet in Deutschland auf. Von 1998 bis April 2001 war sie für einen Monatslohn von 200 DM geringfügig beschäftigt. Ab April 1999 führte ihr Arbeitgeber aufgrund der Neuregelung pauschale Sozialversicherungsbeiträge ab.
Das FG bejahte daher von da an die Arbeitnehmereigenschaft und demzufolge den Kindergeldanspruch für den Sohn der Klägerin von April 1999 bis April 2001 (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.11.2002, 1 K 3/02, Haufe-Index 923806, EFG 2003, 786).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Zum einen begründet allein die ausländerrechtliche Duldung keine Kindergeldberechtigung nach dem EStG. Zum anderen führt die Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge nicht zur Anerkennung der Arbeitnehmereigenschaft nach dem SozSichAbk YUG.
Hinweis
1. Der BFH bestätigt zu wiederholtem Mal, dass ein Ausländer, der nicht im Besitz eines qualifizierten Aufenthaltstitels i.S.v. § 62 Abs. 2 EStG ist, sondern sich nur geduldet im Inland aufhält, keinen Kindergeldanspruch hat (BFH, Urteil vom 02.11.2007, III R 54/02, BFH/PR 2008, 201). Er weist damit erneut die vom FG Köln im Vorlagebeschluss vom 09.05.2007, 10 K 1690/07 (Haufe-Index 1763580, EFG 2007, 1247) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zurück (Az. BVerfG: 2 BvL 4/07).
2. Das deutsch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit (SozSichAbk YUG) ist gegenüber § 62 EStG grundsätzlich vorrangig. Es gewährt einen Kindergeldanspruch u.a. für im Inland "Beschäftigte". Da das Abkommen neben dem Kindergeld für Arbeitnehmer Ansprüche gegen die Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung regelt, ist hier von einem engen Arbeitnehmerbegriff auszugehen, der eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit voraussetzt.
a) Geringfügig Beschäftigte ("400-Euro-Jobber" oder "Mini-Jobber") sind grundsätzlich versicherungsfrei in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie – nach dem Grundsatz, dass die Pflegeversicherung der Krankenversicherung folgt – in der Pflegeversicherung.
Gleichwohl hat der Arbeitgeber für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung einen pauschalen KV-Beitrag zu tragen und ebenso einen Pauschalbeitrag zur RV zu zahlen, sofern der Arbeitnehmer nicht auf die Versicherungsfreiheit in der RV verzichtet hat.
b) Aus dem Pauschalbeitrag zur RV erwachsen dem geringfügig Beschäftigten lediglich Ansprüche in Form eines Rentenzuschlags sowie in begrenztem Umfang bei der Erfüllung der Wartezeit. Die Pauschalbeiträge zur KV, die für einen bereits anderweitig pflichtversicherten Arbeitnehmer abgeführt werden müssen, führen jedoch zu keinen zusätzlichen Leistungsansprüchen; der bereits vorhandene Leistungsanspruch aus der originären Versicherung bleibt bestehen.
Für ein Sozialversicherungsverhältnis, das einen Kindergeldanspruch nach dem SozSichAbk YUG begründen soll, genügt die Abführung pauschaler Arbeitgeberbeiträge nach Auffassung des BFH daher nicht. Ein aus dem früheren Jugoslawien stammenden Mini-Jobber, für den pauschale Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, erwirbt somit auch aus dem SozSichAbk YUG keinen Kindergeldanspruch. Das bedeutet: Durch die Vereinbarung eines Entgelts von nur wenigen Euro ("Mini-Mini-Job") kann sonach auch bei Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge kein Kindergeldanspruch begründet werden.
3.Beachten Sie, dass der BFH folgende Fragen ausdrücklich offen gelassen hat. Insoweit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
a) Die Weitergeltungdes SozSichAbk YUG ist zweifelhaft. Das BSG hat die Frage dem BVerfG vorgelegt (Vorlagebeschluss vom 23.05.2006, B 13 RJ 17/05 R, SGb 2007, 227).
b) Fraglich ist auch, ob bei einem Mini-Job, wenn der Arbeitnehmer auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung verzichtet, die dadurch ausgelöste normale Rentenversicherungspflicht für die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. SozSichAbk YUG ausreicht. Nach der Auffassung der Verwaltung muss ein Versicherungsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit, d.h. eine Arbeitslosenversicherung, bestehen. Diese besteht aber bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nicht, sondern nur bei einer 400 Euro übersteigenden Entlohnung, sodass ein unter das SozSichAbk YUG fallender Mini-Jobber nicht kindergeldberechtigt sein könnte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.02.2008, III R 79/03