Leitsatz
Die gesetzliche Ausgestaltung der Tatbestände in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG, wonach ein Kind, das nach Beendigung der Schulzeit – unabhängig davon, ob absehbar oder nicht – länger als vier Monate auf den Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes wartet, während dieser Übergangszeit nicht berücksichtigt wird, ist weder lückenhaft noch verstößt sie gegen das GG (Anschluss an die Senatsurteile vom 22.12.2011, III R 5/07 und III R 41/07).
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der im September 1986 geborene Sohn der Klägerin besuchte bis Ende 6/2007 die Schule. Im unmittelbaren Anschluss hieran begann er am 1.7.2007 mit der Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes, den er am 26.8.2007 aufgrund anerkannter Kriegsdienstverweigerung beendete. Nach dem Einberufungsbescheid vom 23.10.2007 sollte er seinen Zivildienst am 3.3.2008 beginnen. Tatsächlich trat er ihn bereits im Februar 2008 an.
Im September 2007 wurde er bei der Berufsberatung als "ratsuchend" aufgenommen. Er gab an, sich weiter informieren und sich ggf. erneut an die Berufsberatung wenden zu wollen. Daraufhin wurde er aus der Berufsberatung abgemeldet. Eine Meldung als Arbeitsuchender erfolgte nicht.
Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG Sachsen-Anhalt wies die Klage auf Kindergeld 8/2007 bis 2/2008 als unbegründet ab (Urteil vom 14.9.2010, 4 K 300/08, Haufe-Index 2551941, EFG 2011, 345).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Auch diese Entscheidung befasst sich wie das vorstehend besprochene Urteil III R 5/07 vornehmlich mit der Beschränkung der Übergangszeit auf vier Monate.
2. Die Behauptung einer Fürsorgepflichtverletzung der Agentur für Arbeit (z.B. wegen unzureichender Beratung) führt nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungs- oder Folgenbeseitigungsanspruchs zu einer Berücksichtigung als Kind, denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch gilt im Kindergeldrecht nach den §§ 62ff. EStG nicht.
3. Die Berücksichtigung des Kindes wegen eines fehlenden Ausbildungsplatzes setzt ernsthaftes Bemühen bei der Suche voraus. Dieses kann durch eigene Aktivitäten oder durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit nachgewiesen werden, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Erforderlich ist die Erfassung mit dem Status "Bewerber" und nicht nur "ratsuchend", denn das bloße Einholen von Informationen über Ausbildungsmöglichkeiten stellt noch kein ernsthaftes Bemühen um einen Platz dar. Bemühungen um einen Platz als Zivildienstleistender sind grundsätzlich keine Ausbildungsplatzsuche, weil der Zivildienst keine Berufsausbildung darstellt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.2.2012, III R 68/10