Leitsatz
Die aus Agenturgeschäften vereinnahmten Geldbeträge (hier Erlöse eines Tankstellenpächters für Mineralölprodukte) sind auch bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nicht als Betriebseinnahmen, die Weiterleitung dieser Beträge nicht als Betriebsausgabe zu erfassen. Verwendet der Unternehmer diese in fremdem Eigentum stehenden Geldbeträge zunächst für private Zwecke und nimmt sodann Darlehen auf, mit denen er die Geldbeträge ersetzt, entnimmt er daher keine Betriebseinnahmen und finanziert auch keine Betriebsausgaben.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 EStG , § 5 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger betreibt eine Tankstelle. Sein Betrieb umfasst den Handel von Agenturwaren (Treibstoffe) für Rechnung der X-AG und daneben Eigengeschäfte im Rahmen des "Shop-Geschäfts". Die Umsätze entfielen zu 75 % auf das Agenturgeschäft und zu 25 % auf Umsätze aus dem Eigengeschäft. Nach dem Agenturvertrag gehen die Verkaufserlöse der Agenturwaren mit der Einnahme durch den Kläger in das Eigentum der X-AG über. Sie sind von den übrigen Erlösen getrennt zu verwahren und auf ein gesondertes Agenturkonto einzuzahlen.
Der Kläger zahlte sämtliche Einnahmen regelmäßig auf ein Kontokorrentkonto ein, von dem aus er die der X-AG zustehenden Beträge auf das Agenturkonto überwies. In den Jahren 1992/1993 entnahm der Kläger für den Bau eines privaten Einfamilienhauses Geldmittel bar aus der betrieblichen Kasse. Da das Guthaben auf dem Kontokorrentkonto für die Überweisungen auf das Agenturkonto nicht ausreichte, entstanden im Zusammenhang mit den Barentnahmen auf dem Kontokorrentkonto Sollsalden, die der Kläger durch Bankdarlehen i.H.v. rund 500.000 DM ausglich.
Das FA ließ die dafür angefallenen Zinsen im Umfang der Agenturumsätze von 75 % nicht zum Betriebsausgabenabzug zu. Das FG anerkannte dagegen den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung, der durch die Darlehensaufnahme ausgeglichene Sollsaldo sei durch die Überweisungen auf das Agenturkonto entstanden. Die Bereitstellung der Mittel auf dem Agenturkonto sei ein betrieblicher Vorgang (FG Münster vom 26.10.2001, 11 K 2114/00 F, EFG 2003, 599).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FA. Die Erlöse aus dem Agenturgeschäft sind mit ihrer Vereinnahmung Eigentum der X-AG geworden. Somit liegen keine Betriebseinnahmen vor. Die Weiterleitung auf das Agenturkonto ist daher kein betrieblich veranlasster Abfluss. Mit der Verwendung der Mittel für den Bau des Privathauses hat der Kläger eine private Verbindlichkeit gegenüber der X-AG begründet, deren Charakter sich durch die Ablösung mit einem Darlehen nicht geändert hat.
Hinweis
Schuldzinsen sind nur dann betrieblich veranlasst, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Vereinnahmt der Unternehmer Geldbeträge, die nicht in sein Eigentum fallen, sondern an denen das Eigentum einem Dritten zusteht, gehören diese Geldbeträge nicht zu seinem Betriebsvermögen und sind dementsprechend in der Gewinnermittlung nicht auszuweisen. Der Erhalt ist keine Betriebseinnahme, die Weiterleitung an den Eigentümer keine Betriebsausgabe.
Verwendet der Unternehmer das Fremdgeld abredewidrig für sich und nimmt später ein Darlehen auf, mit dem er dem Eigentümer den Betrag ersetzt, sind die Zinsen nur dann Betriebsausgaben, wenn er die Mittel für betriebliche Zwecke eingesetzt hat. Verbraucht er das Geld für private Zwecke, sind die Zinsen nicht betrieblich veranlasst und daher nicht abziehbar.
Entscheidend für den Betriebsausgabenabzug ist daher, ob das vereinnahmte Fremdgeld in das Eigentum des Unternehmers gelangt ist. Nur wenn dies der Fall ist, d.h. wenn nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Weiterleitung besteht, liegt zunächst eine entsprechende Betriebseinnahme vor, bei deren Entnahme und Ausgleich durch eine Darlehensaufnahme grundsätzlich Betriebsausgaben vorliegen. Denn der Unternehmer kann dem Betrieb Barmittel entnehmen und im Anschluss daran betriebliche Aufwendungen durch ein Darlehen finanzieren.
Ob das Fremdgeld in das Eigentum des Unternehmers gelangt oder für Dritte verwahrt wird, ergibt sich aus den zugrunde liegenden Vertragsbeziehungen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.11.2004, III R 5/03