Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die nach dem Ausstieg ihres Arbeitgebers aus der VBL den kapitalisierten Wert ihrer bereits versteuerten Rentenanwartschaft als Schadensausgleich erhalten, müssen diesen Betrag nicht versteuern. Es liegt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.
Sachverhalt
Der Kläger war im öffentlichen Dienst beschäftigt und aufgrund einer arbeitsvertraglichen Versorgungszusage des Arbeitsgebers bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) pflichtversichert. Die Beiträge an die VBL unterlagen der Besteuerung. Im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen wurde der ursprüngliche Arbeitgeber aufgelöst und das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber fortgesetzt. Die Beteiligung des alten Arbeitgebers an der VBL wurde durch den neuen Arbeitgeber nicht fortgesetzt. Die betriebliche Altersversorgung wurde auf ein kapitalgedecktes System umgestellt. Im Jahr 2000 ging der Kläger in den Ruhestand. Anstelle der ihm zugesagten dynamischen Versorgungsrente erhielt er von der VBL nur eine statische Versicherungsrente. Im Jahr 2001 zahlte der neue Arbeitgeber dem Kläger wegen des eingetretenen Versorgungsfalls ein Versorgungsguthaben in Form einer Einmalzahlung aus. Diese Ausgleichszahlung sollte die rentenrechtlichen Nachteile ausgleichen, die dem Kläger durch den Ausstieg seines Arbeitgebers aus der VBL entstanden sind.
Das Finanzamt behandelte die Ausgleichszahlung als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Einmalzahlung sei nur zu 5% steuerpflichtig und zu 95% nicht steuerbar. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt. Für die Frage, ob der Kläger Arbeitslohn erhalten hat, kommt es allein darauf an, ob ihm aus dem aus dem Dienstverhältnis ein steuerpflichtiger Vorteil zugeflossen ist. Unerheblich ist der Betriebsausgabenabzug beim Arbeitgeber. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nur einen Ausgleich für den Rentenschaden erhalten, der ihm dadurch entstanden ist, dass der Arbeitgeber vorzeitig aus der VBL ausgestiegen ist. Die Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente, die der Kläger bereits erworben und als Arbeitslohn versteuert hatte, ist nach dem Ausstieg des Arbeitgebers aus der VBL nicht mehr erfüllbar. Stattdessen erhält der Kläger nur eine geringere Versicherungsrente. Durch die kapitalisierte Abgeltung der rentenrechtlichen Nachteile des Arbeitgebers wird der Rentenschaden des Klägers ausgeglichen. Bei der Kapitalauszahlung handelt es sich somit um Schadensausgleich und nicht um Arbeitslohn.
Hinweis
Das Urteil des FG ist nicht rechtskräftig (Az, beim BFH: VI R 16/07). Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung in vergleichbaren Fällen die Steuerfestsetzung nicht endgültig vornehmen wird. Betroffene Steuerpflichtige sollten die Anwendung des FG-Urteils beantragen, um den nachteiligen Zinseffekten zu entgehen. Ferner ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen mit dem entschiedenen Rechtsfall identisch sind.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2007, 1 K 366/03